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    Warum Sie nicht „gendern“ müssen   zum Nachlesen! 

Cordula Simon - Presse  2018-12-14    
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Eines Morgens wachte ich auf und dachte: Wenn ein Binnen-I die Gesellschaft ändert, muss man dies doch irgendwo finden können, beweisen können.
„Neger“, „Tunte“ & Co: über Political Correctness und die Beigeschmäcker der Wörter.


Ich möchte Ihnen etwas über Sprache erzählen. Einer der größten Sprachwissenschaftler war Ferdinand de Saussure. Einst kam er mit einem Bild von Magritte in einen Hörsaal, auf dem eine Pfeife abgebildet war. Darunter stand: „Ceci n'est pas une pipe“ – „Das ist keine Pfeife“. So ähnlich zumindest stelle ich mir das vor. Ja, natürlich ist das keine Pfeife, werden Sie sagen, es ist das Bild einer Pfeife. Damit haben Sie schon durchschaut, wie Sprache funktioniert. Das Wort Baum sieht weder aus wie ein Baum, noch klingt es wie ein Baum. Aber das wussten Sie ja schon. So einfach ist Sprachwissenschaft. Wie das in ernst zu nehmenden Wissenschaften ist, muss eine Behauptung bewiesen werden. Sprachwissenschaftler suchen ständig Beweise für das, was sie behaupten. Schließlich gibt es unendlich viele Wörter auf der Welt und unendlich viele Sprachstrukturen.

Das ist auch, warum ich Ihnen sagen kann, dass sie nicht „gendern“ müssen. Ich „gendere“ auch nicht. Ich habe übrigens neben Sprachen auch Genderstudies studiert. Damit Sie sich nicht wundern, warum ich mir herausnehme, das zu erzählen. Heute ist es eine allgemein verbreitete Annahme, dass Frauen zusätzlich genannt werden müssen, damit sie sich angesprochen fühlen. Dann möchte man dasselbe auch alternativen Geschlechtern angedeihen lassen, und das alles ist gut gemeint. Jedoch wachte ich eines Morgens auf und dachte: Wenn ein Binnen-I die Gesellschaft ändert, muss man dies doch irgendwo finden können, beweisen können.

Stellen Sie sich vor: Das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig hat einen Weltatlas der Sprachstrukturen online. Da klickte ich eine Weile und begann bei dem zu klicken, was ich kannte: In den Genderstudies brachte man mir näher, wie großartig die Kultur der Quechua südlich des Titicacasees in Südamerika sei, denn dort habe man gar zehn soziale Geschlechter zur Auswahl. Ist das nicht wundervoll? Also habe ich mir angesehen, wie viele Geschlechter die Sprache der Quechua hat. Auf die Gefahr hin, Sie nun zu enttäuschen: gar keine. Die Quechua kennen keine Unterscheidung nach Geschlecht in ihrer Sprache. Mag sein, dass das eine Ausnahme ist, dachte ich und suchte im Weltatlas nach Sprachen, die viele Geschlechter haben. Die Zulu sind im Weltatlas der Sprachstrukturen verzeichnet unter „Fünf Geschlechter oder mehr“. In ihrer Kultur kennen die Zulu jedoch nur zwei Geschlechter. Nach dem Überprüfen einiger Sprachen mehr musste ich feststellen: Es gibt keine Verbindung zwischen Geschlecht in der Sprache und Geschlecht in der Kultur. Erst recht keine ursächliche. Es gibt Sprachen, in denen eine schwangere Kuh ein männliches Pronomen haben kann. Bislang haben die Kühe nicht aufbegehrt.

Da habe ich mich nun gewundert, ob es nicht auch mit anderen Dingen der politischen Korrektheit so sein mag. Stellen Sie sich vor, was ich gefunden habe: ein Buch aus dem Jahr 1880 von Hermann Paul mit dem Titel „Die Principien der deutschen Sprachgeschichte“. Darin wird erklärt, wie Sprache sich wandelt. Gerade wie der Sinn eines Begriffs sich wandelt.

Wie wird also Sinn erzeugt? Wörter haben Beigeschmäcker – genannt Konnotate. Hermann Paul ist zu seinen Behauptungen nur gekommen, indem er Belege gesammelt hat. Bewiesenermaßen hat er dann behauptet: Wenn ein Wort ein Konnotat hinzugewinnt, verengt sich seine Bedeutung, fällt eines weg, erweitert sie sich. Das Wort „Hochzeit“ bedeutete irgendwann nur eine große Feier. Das Konnotat „Eheschließung“ kam hinzu, und nun ist es eine große Feier mit Heirat. Konnotate können also wandern. Das Konnotat ist Teil des Inhalts, nicht Teil der Form. Was passiert also, wenn eine Form nicht mehr erlaubt ist? Wenn man nicht mehr Fotze (mit den Beigeschmäckern Person, Beleidigung, weiblich, sexistisch) oder Neger (mit den Beigeschmäckern Person, Beleidigung, dunkelhäutig, rassistisch) oder Tunte (mit den Beigeschmäckern Person, Beleidigung, homosexuell, homophob) sagen darf? Die Form verschwindet dann. Der Inhalt verschwindet aber leider nicht. Der Inhalt hopst nämlich fröhlich weiter zum nächsten Wort, denn Menschen, die jemanden beleidigen wollen, werden einfach das nächstbeste Wort mit einem Naserümpfen, mit dem alten Beigeschmack verwenden. Tunte sagt man nicht, und plötzlich wird schwul zur Beleidigung, Neger geht gar nicht, aber schwarz oder Nafri, und anstatt Fotze sagt man dann eben Feministin.

Der Sprachwissenschaftler John McWhorter nennt es die Euphemismustretmühle. Denn dann muss immer ein neues Wort beseitigt werden. Alternativ können Konnotate auch verschwinden. Das passiert, indem ein Wort, das beleidigend gemeint war, immer und immer wieder in einem positiven Kontext auftaucht. Je öfter es verwendet wird, umso eher verschwindet das Konnotat. Beim Grazer Tuntenball denkt niemand mehr an Homophobie, und NWA (Niggas with Attitude) haben diesen höchst antirassistischen Weg eingeschlagen. Vielleicht könnten wir anfangen, Männer auch Fotzen zu nennen.

Die politische Korrektheit verlangt von der Gesellschaft etwas, was das Gegenteil bewirkt von dem, was man in Wahrheit wollte. Im Wienerischen ist übrigens auch Person eine Beleidigung. Selbst gänzlich positive Wörter wie Kultur und Bereicherung werden heute im Internet als negativer Begriff wie „Kulturbereicherer“ verwendet.

Sie werden nun denken: Aber hat das denn niemand überprüft, als das eingeführt wurde? Ich muss Ihnen recht geben: Überprüft wurde das nicht. Nicht von linguistischer Seite. Da gab es Philosophen, die sogenannten Poststrukturalisten, die behaupteten, Sprache lenke die Welt, daher müsse man die Sprache ändern. Argumentiert wurde das oft nur mäßig oder gar nicht. Nur eben behauptet. Manchmal werden auch längst widerlegte andere Theorien zitiert. Das hätte ich in meiner Studienzeit nicht gewagt, einfach etwas unbewiesen stehen zu lassen. Daher habe ich sie alle nachgeschlagen. Die Haare in der Suppe gesucht. Ich könnte aber mit dem Konzept der gleichen Theoretiker behaupten, dass ich gar nicht extra genannt werden mag – da werde ich ja nur als „anderes“ hervorgehoben. Wie mit einem Stempel auf der Stirn. Sprachwissenschaftlich ist beides Unsinn. Dass das Gegenteil von gut nun einmal gut gemeint ist, möchte leider kaum jemand hören.

Ich gebe den Theoretikern auch recht in einer Sache: Sprache lenkt die Welt. Die Inhalte, gerade die politischen, entscheiden Schicksale. Die Form aber nicht, denn Form und Inhalt hängen nur zufällig aneinander. Das ist keine Pfeife! Anstatt wirklicher Gleichheit bietet man eine symbolische Ersatzhandlung. Eine Form. Doch Inhalte bleiben in der Welt bestehen, solange ein Bedarf besteht. Nur eine Sache lenkt die Bedeutung: die Verwendung. Sprachverwendung jedoch ist wie eine Lavalampe. Man kann fasziniert zusehen, aber lenken kann man sie nicht.

Lassen wir uns nicht einreden, wir seien „nicht mitgemeint“ denn ich kann genauso sagen, ich bin mitgemeint, wo es mir passt. Ich bin ein großer Sohn in der österreichischen Hymne und so brüderlich, wie ich es nur schaffe, in der europäischen, denn Brüderlichkeit können wir gerade nicht genug haben. Und lieber höre ich die Worte „Gebt der Fotze mehr Geld“ als „Bringt diese Person zum Schweigen“.


Cordula Simon

Grazerin des Jahrgangs 1986. Studium der deutschen und russischen Philologie sowie der Genderstudies in Graz und Odessa. Romane: „Der potemkinsche Hund“, „Ostrov Mogila“ (beide bei Picus), „Wie man schlafen soll“, „Der Neubauer“ (beide bei Residenz). Lebt in Graz und Odessa.


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