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Blind und autoritär? Streit um Queer-Aktivisten  ext_link

Presse 2017-08-11

Sprechverbote, Denunziantentum: Queer-Bewegung und Genderforschung erfahren radikale Kritik aus den eigenen Reihen, Feministin Alice Schwarzer attackiert die Queer-Pionierin Judith Butler. Es geht um Geschlecht und den Islam.   

Anne-Catherine Simon

Antiautoritär und tolerant in Bezug auf jede (sexuelle) Abweichung, im Englischen „queerness“: So verstand sich die Queer-Bewegung, die in den Neunzigerjahren unter dem Eindruck von Aids entstand. In der Praxis ist sie teils ins Gegenteil umgeschlagen: in eine Verbotsflut und die besessene Verfolgung der „Sünden“ anderer.

Drastische Beispiele dafür lieferte der im Frühjahr erschienene Sammelband „Beißreflexe“ von 25 Autoren, darunter viele Queerund feministische Aktivisten. Die darin geschilderte Verbotskultur erstreckt sich auf Dreadlocks und Tunnelohrringe für „weiße“ Europäer, kleinste Kritik an islamischer Frauen- oder Homosexuellenfeindlichkeit oder die Schreibung des Wortes „Frau“ ohne Sternchen. Monogame Homosexuelle oder „weiße“ Feministinnen werden als „bürgerlich“ und „privilegiert“ abgelehnt. Die Herausgeberin des Bandes, Patsy l’Amour laLove, schildert beklemmende Bußrituale bei einem Berliner Queer-Event 2013, bei dem die Teilnehmer Sündenbekenntnisse (etwa „Ich trage Dreadlocks und bin weiß“) und Gelübde ablegten. Dahinter steht die Vorstellung, dass „Weiße“, vielleicht gar heterosexuelle, per se und unabänderlich an den Sünden des Kolonialismus Anteil hätten. Wie dieses schlichte, aber in esoterische Begrifflichkeit gekleidete Schwarz-Weiß-Denken auch in kulturelle Großveranstaltungen Eingang finden kann, hat das Programm der diesjährigen Festwochen bewiesen.

„Zwei Sichten auf die Welt“

Alice Schwarzer hat die Kritik an den Auswüchsen der Queer-Bewegung nun in ihrer Zeitschrift „Emma“ aufgegriffen, was wiederum zu einem über das Magazin „Zeit“ ausgetragenen Schlagabtausch geführt hat: zwischen Deutschlands 74-jähriger Parade-Feministin und der 61-jährigen US-Philosophin Judith Butler, Begründerin der Queer-Theorie. Butler und die deutsche Gender-Forscherin Sabine Hark werfen Schwarzer in ihrem Beitrag Einseitigkeit und Polemik vor. Schwarzer wiederum kritisiert Butler als realitätsblind und elitär – und betont die Kluft: „Es geht um zwei Sichten auf die Welt, um gegensätzliche politische Konzepte.“ Eines haben diese zwei Leitfiguren der Geschlechter-Debatte gemeinsam: den Kampf gegen die Übermacht des sozial konstruierten Geschlechts (im Englischen „gender“), gegen Heterosexualität als soziale Norm. Doch Judith Butler – immerhin um 13 Jahre jünger als Schwarzer – ist als Philosophin stark von Diskurs- und Sprechakttheorie geprägt – und von ihren schwierigen Erfahrungen als lesbischer, sich nicht als Frau fühlender Teenager in einem konservativen religiösen Umfeld. Ihr Buch „Gender Trouble“ („Das Unbehagen der Geschlechter“) war 1990 so etwas wie die Geburtsstunde der Queer-Theorie. Butler fand einen Widerspruch im bisherigen feministischen Denken – dass es die Bedeutung der Geschlechter auflösen wolle, aber die Differenz zwischen männlich und weiblich damit erst recht betone. Butler propagierte hingegen die Vorstellung eines sexuellen Kontinuums – in dem sich jeder so positionieren könne, wie er wolle, unzählige neue Identitäten entstehen könnten und nur noch das subjektive Empfinden maßgeblich wäre.

Aber was tun dann mit dem klassischen Feminismus, wenn die Kategorie „Frau“ zu einer unter vielen, vielen anderen wird? Genau das ist auch ein Kernpunkt der Attacke gegen Butlers „Realitätsferne“, die Alice Schwarzer in der „Zeit“ (gestern, Donnerstag) formuliert. Die gesellschaftliche Realität werde nun einmal nach wie vor vom Gegensatz zwischen den Kategorien „Mann“ und „Frau“ geprägt, also müsse man auch weiterhin hier ansetzen.

Noch schärfer spaltet mittlerweile die Haltung zum Islam jene, die einst gemeinsam für die Befreiung von sozialen Geschlechternormen kämpften. Alice Schwarzer ist beileibe keine subtile Denkerin, und ihre „Zeit“-Kritik an der berühmten Queer-Philosophin Butler klingt sehr nach Intellektuellen- Bashing („elitär“, „lebensabgewandt“, „unverständlich“). Subtil ist auch nicht ihre seit Jahren geübte Kritik an einem als monolithisch verstandenen Islam. Doch er folgt konsequent aus ihrer Überzeugung, dass Gleichberechtigung ein universaler Wert sei und jeder Frau zustehen solle.

Schutz für „Opfer“ und ihre Kulturen

Ein Großteil queerer Aktivisten hingegen brandmarkt jede Kritik an muslimischer Frauenfeindlichkeit und Homophobie als „rassistisch“. Das kritisieren auch Schwarzer und die Autoren von „Beißreflexe“. Dass der Islam tabu ist, hat ebenfalls mit den Ursprüngen der Queer-Theorie zu tun. Diese folgerte aus dem Recht auf „Anderssein“ die Pflicht zur Solidarität mit Unterdrückten jeder Art – und machte zugleich das subjektive Gefühl der Verletztheit zum obersten Maßstab. Doch aus dem unterdrückten „Anderen“ wurde in der Queer-Bewegung ein politisches Fantasma, das an den alten Orientalismus erinnert: die Opfer des Kolonialismus. Nicht nur sie, auch ihre Kulturen gehören demnach unbedingt geschützt. So begannen queere Aktivisten neue Identitäten zu zementieren (die sie eigentlich auflösen wollten), und „andere“ Kulturen absolut zu setzen. So hat Butler auch die Burka als Zeichen von Stolz und Gemeinschaftssinn verteidigt. Kein Queer-Aktivist würde hingegen „europäische“, patriarchalische, heterosexuelle Traditionen unter Artenschutz stellen wollen.

Freilich: Klügste Denker waren oft von erstaunlicher Dummheit, wenn es um politische Wirklichkeit ging. Und aus philosophischen Idealen wurden oft autoritäre Bewegungen, wollte man sie stante pede in die Tat umsetzen. Im Grunde sei sie als Philosophin von einer „menschlichen Frage“ ausgegangen, sagte Judith Butler vor einigen Jahren zur „Presse“: „Es ist schmerzhaft, das Gefühl zu bekommen, was ich tue, sei unnatürlich, falsch, pathologisch. Kinder sollen das Gefühl haben, dass ihre Wünsche legitim sind.“ Dazu hat Butlers Queer-Theorie, so merkwürdige Wirkungen sie auch hervorgebracht hat, sicher beigetragen.

 

Queer-Vordenkerin Judith Butler wirft Schwarzer einseitige Polemik vor.
Schwarzer kritisiert Butler als elitär und realitätsfern.


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