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Abrechnung mit dem „Allmachts-Feminismus“
Im Kurier vom 30.09.2012 schreiben Susanne Mauthner-Weber und Michael Hufnagl über ein Buch als Abrechnung mit dem „Allmachts-Feminismus“ und als Idee einer veränderten Gesellschaft,
Die Befreiung aus der Opferrolle
Eine Provokation, sicher. Eine Aufregung, vermutlich. Ein Denkanstoß, so oder so.
Christine Bauer-Jelinek hat
„Der falsche Feind. Schuld sind nicht die Männer“ geschrieben.
Eine radikale Absage an den von ihr kreierten „Allmachts-Feminismus“.
Ein Mann hätte dieses Buch in dieser Zeit mit dieser Offensive nicht schreiben dürfen.
Und eine ideologisch rechts stehende Person ebenfalls nicht.
Beides trifft auf Bauer-Jelinek nicht zu. Sie ist Wirtschaftscoach und Psychotherapeutin, Leiterin des Instituts für Macht-Kompetenz in Wien – und kommt aus der 68er-Bewegung:
Kein feministisches Argument, sagt sie, sei ihr fremd.
Daher seziert sie die Gesellschaft und wagt den Tabubruch.
Ob Frauen die besseren Menschen, die Diskussionen um ungleiche Löhne obsolet, die weibliche Unterdrückung nur ein Mythos oder die Opferrolle längst nicht mehr angebracht ist.
Trotzdem sagt sie:
„
Es ist ein Frauen-Befreiungsbuch, denn im Moment sind die Frauen in Geiselhaft der Ideologie, welche Ansprüche sie denn nicht zu erfüllen haben.“
Karrierefrau, Übermutter, Altenpflegerin, dazu noch Vamp und bei Bedarf Mentalcoach.
„Das geht sich nicht aus“, sagt Bauer-Jelinek. „Und es hindert Frauen an ihrer Weiterentwicklung.“
Wie auch die Schuldzuweisungen an die Männer.
„
Wenn man aus der Opferrolle heraus versucht, sich weiterzuentwickeln, ist man immer gefesselt. Wer sich unterdrückt fühlt, kann nicht stark sein.“
Das Gefühl, dass massiv etwas falsch läuft, hat sie auch in vielen Gesprächen mit Klienten gewonnen:
„Die Frauen sind bei ihren Durchsetzungsversuchen bei Karriere oder Gehalt von einem solchen mentalen Nebel umgeben, dass man den überhaupt erst wegräumen muss, bevor es um die Sachfragen geht.
Und die Männer sind von Schuldgefühlen zerfressen. Die haben nur mehr das Gefühl, egal, wie sie es machen, es ist falsch.
Es ist nicht so, dass eines der beiden Geschlechter sagen könnte, mir geht es super*.“
Und in weiterer Folge gehe es den Kindern schlecht, „und von den Alten reden wir diesbezüglich in der Öffentlichkeit noch viel zu wenig.
Das ist ein gesellschaftspolitisches Problem, das ich gerne einmal von einer anderen Seite beleuchten möchte und nicht immer nur mit Totschlag-Argumenten.“
Bauer-Jelinek rechnet gnadenlos mit dem Allmachts-Feminismus ab:
„Das Paradoxe am Allmachts-Feminismus ist, dass er etwas anstrebt, das er zutiefst verachtet.
Die Frauen sollen in die Arbeitswelt, die so schrecklich ist,
und die Männer sollen heim, wo es auch schrecklich ist. Es ist absurd.“
„Ich habe den Anspruch, diese Diskussion auf eine andere Ebene zu heben.“ Gespräche, die darin gipfeln, dass die einen sagen ,Ich will vom Feminismus nichts mehr hören‘ und die anderen kontern ,Ich will vom Hausmütterchen nicht mehr hören‘, seien nicht hilfreich. „Es braucht endlich einen neuen Fokus.“
Bauer-Jelinek lässt den Leser – ob mangelnder Lösungsansätze – frustriert zurück. Aber das ist Kalkül:
„Jeder muss selbst beginnen zu diskutieren, erkennen, dass er so nicht mehr leben will, und herausfinden, wo die Kraft herkommt, um das Leben zu gestalten, dass man sich besser fühlt.“
Und dafür gäbe es eben keine Patentrezepte.
Sie ist sich auch klar darüber, dass man sie missverstehen oder vereinnahmen wird:
„Meine Aufgabe wird es sein, wie beim Rugby mit meiner Wuchtl durch die feindlichen Linien, die Vereinnahmungsversuche, zu brechen.“
02
Die Kommentatoren:
Laut denken nicht mehr verboten
von SusannE Mauthner-Weber
Zuerst wollte ich mein Kasterl einfach leer lassen.
Doch dann habe ich mich entschlossen, zu erklären, warum ich es leer lassen wollte.
Gesetzt den Fall, ich wäre nur gut hundert Jahre früher geboren worden:
Ich hätte keine Matura machen,
nicht studieren dürfen.
Denn, was wir heute fast vergessen haben: Bis 1896/1897 war uns Frauen der Weg zu höherer Bildung verwehrt.
Gesetzt den Fall, ich wäre nur eine Dekade früher geboren worden:
Ich hätte meinen Ehemann fragen müssen,
ob ich als Journalistin arbeiten und diese
Zeilen schreiben darf.
Denn, was wir heute fast vergessen haben: Bis 1975 musste, wer mit dem Makel der weiblichen Geburt geschlagen war, den Ehemann fragen, ob sie erwerbstätig sein darf.
Gesetzt den Fall, ich wäre kein denkendes Wesen:
Es hätte mich vielleicht nicht gestört,
nicht eigenständig öffentlich und laut denken
und schreiben zu dürfen.
Doch so bleibt das Kasterl nicht leer.
Und die Hoffnung aufrecht,
dass Frauen und Männer in Zukunft gemeinsam den richtigen Feind bekämpfen.
Nur keine Genugtuung
von Michael Hufnagl
Natürlich könnte ein Mann nach Lektüre von „Der falsche Feind“ am Stammtisch lautstark „So sind’s, die Weiber – was ich immer gesagt habe“ grunzen.
Oder mit der angelesenen Erkenntnis nach Hause kommen, um seiner Frau triumphal entgegenzutreten:
„Puppimausi, lies das Buch von der Bauer-Jelinek.
Aber erst nach dem Putzen und Kochen.“
So ein Mann hätte weder im Allgemeinen noch im Speziellen irgendetwas kapiert. Denn die Abrechnung mit dem „Allmachts-Feminismus“ sollte bei näherer Betrachtung andere Schlüsse zulassen als einen Freibrief für männliche Genugtuung.
Natürlich gibt es Themenbereiche, die sich nachvollziehbar mit männlicher Benachteiligung, die wütend macht, beschäftigen.
Zum Beispiel die rechtliche Unverhältnismäßigkeit in der Frage gemeinsamer Kinder.
Im Gegenzug aber wird etwa das Thema Unterdrückung der Frauen durch physische männliche Gewalt von der Autorin nur am Rande gestreift. Das ist ein Versäumnis.
Aber so oder so sollte am Ende keine Geschlechter-Diskussion entstehen.
Sondern ein Nachdenkprozess über unsere gemeinsamen Lebenswelten.
Denn ideal schaut anders aus.
03
Zur Person und zum Buch
Feministin Christine Bauer-Jelinek hat als junge Mutter Mitte der 1970er-Jahre das erlebt, worum heute gerungen wird.
„Die Väter meiner beiden Söhne waren viel zu Hause und haben sich bei der Kinderbetreuung engagiert.“
Drei Jahre Karenz und Großeltern entschärften die Doppelbelastung, an der heute viele zerbrechen, wie die Psychotherapeutin und Leiterin des Instituts für Macht-Kompetenz in Wien, in ihren Coaching-Gesprächen immer wieder feststellt.
Coach Bauer-Jelinek zählt zu den Pionieren des Coachings, begleitet Menschen bei Karrieren, Krisen und Neuanfängen.
Sie ist Expertin für Mechanismen der Macht und deren Gender-Aspekte sowie für Trends der gesellschaftlichen Entwicklung, über die sie mehrere Bestseller geschrieben hat.
Am 2. 10. stellt sie ihr neues Buch („Der falsche Feind. Schuld sind nicht die Männer“, Ecowin,
19,95 €) bei Morawa in Wien vor. Auf www.bauer-jelinek.at
oder
www.facebook.com/derfalschefeind
können Leser mit der Autorin über ihre provokanten Thesen diskutieren.