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Neue Mittelschule: "Eine verlorene Generation"


2016-03-13 Kurier

Neue Mittelschule: "Eine verlorene Generation"

Bernhard Gaul

Die Realität mancher Mittelschulen ist fern von dem, was Bildungspolitiker versprechen.     


Kurz nach halb acht Uhr morgens herrscht vor der Schule ein freundlich-babylonisches Sprachengewirr. Wenig später ist Einlass, die Schüler zwischen 10 und 15 Jahren sausen ins Schulgebäude, das offen und einladend wirkt. Die Direktorin, die im ersten Stock wartet, wird höflich gegrüßt. "Wir haben die Anmeldungen für nächste Jahr schon durchgesehen. Wir bekommen Schüler aus allen Kulturkreisen", sagt Direktorin Andrea Walach. "Serben, Polen, Türken, Somali, Iraker, Syrer, Bosnier, Inder, Tschetschenen, Albaner, Ungarn, Slowaken. Ganz so wie Wiens Bevölkerung."


98 Prozent Kinder mit nicht deutscher Muttersprache

Willkommen in einer ganz normalen Neuen Mittelschule (NMS) in Wien-Margareten, in der Gassergasse. Margareten ist jener Bezirk mit dem höchsten Ausländeranteil. Hier in der Schule liegt der Anteil an Kindern mit nicht deutscher Muttersprache bei 98 Prozent – deutlich höher als im Wiener Schnitt, der bei rund 74 Prozent liegt.


Bildungsziel: Universität

25 Lehrerinnen versuchen hier jeden Tag ihr Bestes, den 250 Kindern Lesen, Schreiben und Rechnen beizubringen. Gelingt das auch? Direktorin Wallach erklärt trocken: Ein Drittel der Kinder, schätzt die Pädagogin, werde später in höheren Schulen unterkommen, in Handelsschulen, Handelsakademien oder in Oberstufengymnasien. "Oft schafft es ein Kind jedes Jahrgangs sogar auf die Uni", sagt Walach, die seit 1999 die kleine Schule in Margareten leitet.


Bildungsziel: Lehrstelle

Beim nächsten Drittel könne als großer Erfolg verbucht werden, dass die Kinder eine Lehrstelle finden – und diese auch behalten.

Und für das letzte Drittel sei der Weg aus ihrer Erfahrung vorgezeichnet, weil sie "leider nicht vermittelbar" seien: Ende der Schulpflicht, vergebliche Suche nach einem Lehrplatz, AMS-Kurse, Sozialhilfe, vielleicht ein Leben lang. "Eine verlorene Generation", nennt sie die Direktorin. Das meint sie überhaupt nicht so hart, wie es klingt. Es spiegelt nur ihren pädagogischen Alltag und ihre Erfahrung wider. Oft stammen die Kinder aus Familien, die von Sozialhilfe leben und mit dem wenigen Geld auch zufrieden sind.


Hauptproblem: Deutsch lernen

"Das Problem ist, dass wir beim Deutschlernen nicht weiterkommen", sagt die Pädagogin. In ihrer ersten Klasse sind von 25 Kindern sieben "außerordentlich": Weil sie erst seit Kurzem in Wien sind, können sie fast gar kein Deutsch und werden wenigstens zwei Jahre nicht benotet.


Sinnlose VHS-Nachhilfe

Eine Stunde Deutsch täglich pro Woche reiche sicher nicht, sagen auch die Lehrer. Und die von der Stadt Wien bezahlte Nachhilfe, die über die Volkshochschulen angeboten wird, bringt viel zu wenig: Nach fünf bis sechs Stunden Schulunterricht übernimmt ein VHS-Lehrer in zwei Lerneinheiten zu je eineinhalb Stunden. "Die verstehen nur leider nicht, wie die Kinder ticken und werden deshalb nicht respektiert. So klappt das nicht", ärgert sich die Direktorin. Viele Schüler würden ohnehin in zwei Welten leben – klare Regeln und Gleichberechtigung in der Schule, daheim aber oft soziale Not, Gewalt, Regression.

Zudem bleiben nur zehn Prozent der Kinder am Nachmittag betreut in der Schule – "besser wären hundert Prozent, am besten aber eine ganztägige Schulform."


Nur Satzfragmente

Deutsch, das merkt jeder Besucher sofort, wird von den meisten Kindern nur in Satzfragmenten gesprochen. Das betrifft nicht nur die Neuankömmlinge, sondern auch viele, die seit Jahren hier leben – aber außer in der Schule nie Deutsch hören oder sprechen. "Deutsch lernt man durch Deutsch sprechen. Es fehlen aber die Sprachvorbilder", sagt eine verzweifelte Lehrerin.

Für den Schulalltag bedeute das: "Will ich über Wasserkraft sprechen, muss ich zuerst die wichtigsten Begriffe ,Fluss‘ und ,Turbine‘ erklären. Das dauert meist schon länger als eine Schulstunde."


Ahnungslose Politik

Auch das "Teamteaching", das NMS-Modell mit zwei Lehrern pro Klasse, eigne sich hier nicht, findet Direktorin Walach, sondern sei nur eine Verschwendung von Ressourcen. "Individualisierung des Unterrichts und vor allem jahrgangsübergreifende Klassen wären viel besser." Das sehe das Gesetz aber nicht vor – und Platz gebe es zudem nicht ausreichend. "Die starren Strukturen und Vorgaben der Schulpolitik verhindern die bestmögliche Ausbildung der Kinder", meint Walach. "Weil die verantwortlichen Politiker keine Ahnung haben, wie es in Wirklichkeit an den Schulen zugeht."


Es braucht Schulen, die sich am Kind und nicht an Ideologien orientieren

Sprachdefizite und ein Bildungssystem, das zu viele Kinder chancenlos zurücklässt, sind eine tickende soziale Zeitbombe


Ein  Schuldirektor , der sich in der Pension  um Jugendliche kümmert,   zitiert einen Firmenchef: „Wir nehmen sofort einen Lehrling, wenn er nur Bitte, Danke sagen und grüßen kann. Alles andere werden wir ihm irgendwie beibringen. Aber so einen Lehrlingsaspiranten zu finden wird immer schwieriger.“


Keine Sprachvorbilder

Nach neun Jahren Schule beherrschen junge Menschen nicht einmal  die  einfachsten Kulturtechniken. Doch nicht nur allein daran liegt es,  dass aus Kindern Schulversager werden. Dafür gibt es viele Gründe.
Zentraler  Faktor ist und bleibt das Elternhaus sowie die dortigen Sprachvorbilder. Wie groß dabei der Unterschied zwischen bildungsarmen und bildungsaffinen Familien ist, haben  US-Wissenschaftler erforscht, indem sie die Wörter zählten, die Kinder bis zum 3. Lebensjahr wahrnehmen. Ergebnis:   Behütete Kinder hören 30 Millionen Wörter mehr. Ein gewaltiger Unterschied, den Kindergarten und Halbtagsschule  nur schwer ausbügeln können.


Äpfel und Birnen

Wie sich das auswirkt, beschreibt eine Wiener Volksschuldirektorin: „Bei der  Einschulung kannte ein Bub zwar das Wort Obst, er hatte aber weder in seiner Muttersprache noch in Deutsch einen Begriff für Apfel oder Birne.   Und das, obwohl der Vater Obsthändler war.“


Fehlende Konzepte

Konzepte, wie man damit umgeht, gibt es  in Österreich kaum. Das zweite verpflichtende Kindergartenjahr ist zwar ein  richtiger Schritt, doch ist die Finanzierung noch nicht fix, und er reicht  ohnehin nicht. Programme, die Elternarbeit als Teil der Bildungsarbeit sehen, sind die Ausnahme. Niemand klärt Mütter und Väter auf, wie wichtig es wäre, mit Kindern zu reden oder ihnen vorzulesen. Zudem habe viele  Eltern keine Ahnung vom österreichischen Bildungssystem.

Dazu kommt: Bildung und Schule werden immer weniger als Mittel des sozialen Aufstiegs gesehen. Es gibt bereits  Familien, die seit Generationen   von der Sozialhilfe und Kindergeld leben – und sich damit begnügen.  In Deutschland nennt man   dieses Phänomen „Hartz-IV-Generation“  (Sozialhilfeempfänger). Offenbar hat sich die Einstellung geändert. Früher war es  selbstverständlich, dass sich Arbeiter um die  eigene Bildung und die der Kinder  bemühen.


Ganztagsschule

Ausgleichend könnte  eine leistbare Ganztagsschule sein, in  der  intensive Beziehungsarbeit zwischen Pädagogen und Schülern geleistet wird. Diese gilt als  wichtigster Faktor für den Lernerfolg. Die Schule kann das aber  mit den gegebenen  Strukturen  nicht leisten.  Nötig wären ideologiefreie Konzepte, die  Schulen vor Ort zutrauen, aus jedem Schüler das  Beste herauszuholen.


Es kostet so oder so mehr Geld

Das kostet auch Geld. Nichtstun kommt dem Steuerzahler jedenfalls noch  teurer: Laut OECD-Berechnungen  belastet ein Schulabbrecher den Staat im Schnitt mit rund 1,8 Millionen Euro. Ein Bruchteil davon würde genügen, um Kindern eine Zukunftschance zu  geben.


Bildung, Bildungsreform, Landeshauptleute, Bundeskompetenz, Bildungsdirektionen, ELternmitsprache, NMS, Gymnasium
Kommentare und Hervorhebungen: JPS

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