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    Von Sprachdefiziten und mangelnder Chancengleichheit  

Andrea Schurian - Presse   2018-08-20    
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Wenn Menschen, die vor 25 Jahren in Wien geboren wurden, nur bruchstückhaft Deutsch sprechen, klingen viele Argumente gegen Deutschklassen zynisch.
Noch zynischer ist anzunehmen, dass 80% nicht deutschsprachiger Schüler die deutsche Sprache von den 20% "autochthonen" lernen werden - wer ist da in welchem Ghetto? Deutschklassen sind möglicherweise nicht der Weisheit letzter Schluss, aber zumindest ein Anfang, um die die fruchtlosen Diskussionen der letzten Jahre in Taten münden zu lassen. ex_url 


Unlängst im Taxi. Der Fahrer, ein liebenswürdiger junger Mann, sprach Deutsch nur sehr gebrochen und mit starkem Akzent. Wir unterhielten uns übers herrliche Wetter, den stockenden Verkehr, über dies und das. Irgendwann fragte er, ob ich berufstätig sei. Aha, Journalistin, was macht so jemand? In einer Zeitung schreiben, interessant. Ob ich aus Wien sei? Eigentlich ja, aber ursprünglich käme ich aus Kärnten. Also nicht aus Österreich? Doch. Kleine Geografie-Nachhilfe. Dann fragte ich ihn ebenfalls nach seinen Wurzeln. Er sei Wiener, vor 25 Jahren hier geboren, sagte er stolz, die Urlaube verbringe er in der Türkei, der Heimat seiner Eltern, zu Hause fühle er sich in Wien. Recep Tayyip Erdoğan fand er übrigens super.

Das Gespräch rührte und berührte mich. Und machte mich wütend. Wie kann es sein, dass jemand, der in Österreich zur Welt kam, in Wien zumindest neun Jahre Pflichtschule absolvierte, hier ganz offensichtlich den Führerschein machte, vielleicht eine Lehre abschloss, derartige Sprachdefizite (und Wissenslücken) hat? War das tatsächlich allen egal, den Eltern, den Lehrern, Freunden, Lehrherren und –damen, den Kollegen?

Bildung ist ein parteipolitisches Minenfeld. Sagt die eine Partei dies, meint die andere Partei jenes. Zum Beispiel Deutschklassen. Stimmt schon, am besten und schnellsten lernen Kinder die Sprache von Deutsch sprechenden Schulkolleginnen und -kollegen. Vor vielen, vielen Jahren, in meiner Kindheit also, war das so. Ein, zwei fremdsprachige Buben und Mädchen pro Klasse, da ging der Spracherwerb zwar vielleicht ein bisschen regionaldialektgefärbt, aber ruckzuck, im Spielen und Vorbeigehen. Heute? Der Bericht über Brennpunktschulen in der „Presse“ macht dauerhaft schüttelfrösteln. Chancengerechtigkeit? Nicht für diese Kinder.

Es gibt bedenkenswerte Argumente gegen Deutschklassen, viele allerdings klingen, abgesehen von der parteipolitischen und/oder lehrergewerkschaftlichen Grundierung, mitunter fast zynisch: Es würde das Selbstbewusstsein der Kinder verletzen, müssten sie für Hauptgegenstände in die Deutsch- vulgo Ghettoklasse übersiedeln und dürften nur zum Singen, Turnen und Zeichnen im ursprünglichen Klassenverband bleiben. Abgesehen davon, dass dies zwecks unterschiedlicher Kursbesuche für US-Schüler Alltag ist: Wie sehr kratzt es am Selbstbewusstsein der Kinder, wenn sie erst gar nicht verstehen, was da erklärt und subtrahiert und punktgerechnet wird? Und wie sehr kratzt es später am Selbstbewusstsein junger Erwachsener, wenn sie insgeheim wissen, dass sie eigentlich funktionale Analphabeten und bestenfalls für Aushilfsjobs oder AMS-Bezug geeignet sind? Kein Wunder, dass sie schließlich wütend lieber in ihren (Sprach-)Familien bleiben und ihr politisches Engagement Richtung Erdoğan kanalisieren.

Ein Bildungsexperte belebte die Diskussion und empfahl, nach Frankreich zu blicken, dort funktioniere die bildungspolitische Integration geradezu großartig, die jungen Menschen würden sich wertgeschätzt und integriert fühlen. Ernsthaft? Randale, radikalisierte Jugendliche in den Banlieus als Ausdruck chancengerechten Dazugehörigkeitsgefühls? Eine andere Expertin nannte London als Leitbild. Echt jetzt? Weil dort jeder, der es sich auch nur irgendwie vom Mund absparen kann, seine Kinder um atemberaubend viel Geld in Privatschulen steckt und um öffentliche Schulen einen großen Bogen macht?

In einer idealen Welt sind Deutschklassen vermutlich nicht die beste aller Möglichkeiten, in unserer aber vielleicht doch nicht die schlechteste Übergangslösung. Damit in 25 Jahren möglichst kein in Österreich geborener junger Mensch nur bruchstückhaft Deutsch spricht.

Zur Autorin

Dr. Andrea Schurian ist freie Journalistin. Die ehemalige ORF-Moderatorin („Kunst-Stücke“, „ZiB-Kultur“) gestaltete zahlreiche filmische Künstlerporträts und leitete zuletzt neun Jahre das Kulturressort der Tageszeitung „Der Standard“.
Seit Jänner 2018 ist sie Chefredakteurin der jüdischen Zeitschrift „NU“.


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