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    Portisch: "Nur mit Zuversicht werden wir Europa retten"  

Helmut Brandstätter - Kurier ext_link  2017-07-02    
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"Aufregend war es immer" heißt das Buch, in dem der frühere KURIER-Chef Hugo Portisch aus seinem Leben berichtet.
Aber er blickt auch in die Zukunft und schlägt einen Marshall-Plan für Afrika vor.


Herr Dr. Portisch, in Ihrem Buch schreiben Sie den Satz: "Wer Europa retten will, muss Afrika retten". Nach dem Zweiten Weltkrieg führte der Gedanke "Wer Amerika retten will, muss Europa retten" zum Marshall-Plan. Wir sind also auf ein funktionierendes Afrika angewiesen?

Hugo Portisch: Ja, wir sind darauf angewiesen, wenn wir die Einwanderung nach Europa halbwegs in den Griff bekommen wollen. In Afrika leben mehr als eine Milliarde Menschen, viele davon wollen nach Europa. Im Jahr 2050 sind es vielleicht zwei Milliarden. Wenn wir wollen, dass sie nicht nach Europa drängen, dann müssen wir ihnen zeigen, dass es sich lohnt, in Afrika zu bleiben.

Ein Satz im Buch hat mich überrascht: "Afrika ist kein so hoffnungsloser Kontinent." Es gibt dort keine funktionierende Demokratie, aber viel Korruption. Woher nehmen Sie Ihre Hoffnung?

Ich habe in Afrika eine Journalistenschule mitbegründet, in Nairobi, allerdings ist Kenia einer der fortschrittlichsten afrikanischen Staaten. Wir haben in dieser Schule 50 Leute aufgenommen und sie mussten Vorleistungen erbringen, also die Matura haben. Das ist in Afrika schon eine seltene Leistung. Sie mussten zwei Jahre Praxis vorweisen in einer Redaktion, die bereit war, ihren Lebensunterhalt zu bezahlen.

Waren das nur Kenianer? Nein, das war für alle englischsprachigen Afrikaner, von Äthiopien bis Südafrika. 3000 Bewerber haben diese Bedingungen erfüllt. Und man sage mir nicht, dass das in einem chaotischen, hoffnungslosen Kontinent möglich ist. Das ist lange her, aber das Potenzial ist ja nicht kleiner geworden.

Das Wirtschaftswachstum wird stark von den Chinesen angetrieben. Sie investieren dort, wo Rohstoffe sind – werden aber nicht für Demokratie sorgen oder für einen Marshall-Plan.

Ja, sie wollen die Rohstoffe haben, aber sie bauen auch die Eisenbahnen aus, sie bauen Sportstadien. Sie waren immer schon große Konkurrenten in Afrika, schon vor langer Zeit. China und Russland haben die Amerikaner und Europäer stellenweise schon übertroffen, in der Hilfsbereitschaft und Unterstützung.

Der Marshall-Plan kam in ein zerstörtes Europa, wo es aber industrielle Erfahrung gab und wo sich die Erzfeinde Deutschland und Frankreich aussöhnen wollten. Es gab also auch eine politische Grundlage.

Ich habe den Marshall-Plan nur genannt als Mechanismus. Der Mechanismus war ja sehr einleuchtend: Ein Land schenkt die Güter her, aber beauftragt die Regierung, die sie bestellt, sie intern zu verkaufen – an die Bauern und die Baufirmen. Diese bekommen sie auf Kredit auf zehn Jahre, fast zinsenlos, und verdienen mit den Maschinen ihr Geld und mit diesem Geld bezahlen sie ihre eigenen Regierungen. Und die Regierung investiert dieses Geld wieder in die Wirtschaft.

Was bis heute wirkt, weil es den ERP-Fonds und die Mittel davon ja bis heute gibt ...

Ja, und die laufen weiter. Das wird immer wieder in die Wirtschaft gesteckt. Und die zweite Idee hinter dem Marshall-Plan war, dass die Empfängerstaaten zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit gezwungen wurden. So wurde die "Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa" gegründet, im Endeffekt war das die Gründung der Europäischen Union. Weil aus der wirtschaftlichen Zusammenarbeit wurde die EWG und aus der EWG wurde die Europäische Union.

Beim Marshall-Plan waren wir dabei, aber die EWG war für Österreich verschlossen.Mit der EWG mussten wir warten, bis die Sowjetunion zugrunde ging. Ich war bei Bundeskanzler Raab 1957, als die EWG-Verträge in Rom unterschrieben wurden, zu einem Kaffeeplausch. Und Raab sagte, "also wir gehen dazu". Ich fragte ihn "wozu?" Er sagte, zur EWG. Ich habe aber gewusst, dass die Russen schon Wochen vorher vehement gegen die EWG aufgetreten sind. So fragte ich Raab, was denn die Russen dazu sagen. Und er sagte "die werden nicht gefragt". Und er hat auch nicht gefragt, aber ein paar Wochen später haben die Sowjets schon ein Veto eingelegt, falls wir die Absicht hätten, zur EWG zu gehen. Die Begründung war ganz einfach: Ein Beitritt zur EWG wäre ein Anschluss an Deutschland. Und der Anschluss an Deutschland ist im Staatsvertrag verboten. Der Stalin hat auch allen kommunistischen Ländern verboten, dem Marshall-Plan beizutreten.

Zurück nach Afrika, wie soll ein Marshall-Plan dort funktionieren?

In Afrika muss man das ganz neu denken. Zuerst braucht es dort funktionierende Regierungen – das ist schon mal sehr schwer. Aber ich glaube, wenn man ihnen genügend Perspektiven gäbe, fände man auch genügend Potenzial. Und in Afrika muss man Aufpasser neben die Regierung stellen. Aber das Prinzip bleibt: Wir schenken ihnen was und damit helfen wir ihnen, selbst eine Perspektive zu entwickeln.

80 Dollar pro US-Bürger sind damals in den Marshall-Plan investiert worden, also 13 Milliarden. Bei 500 Millionen Europäern und 200 Euro pro Europäer wären das 100 Milliarden Euro.

Mit 100 Milliarden kann man eine gigantische Organisation aufbauen, und zwar eine, die in europäischen Händen bleibt, bis die Afrikaner so weit sind, dass sie sich selbst verwalten können.

Aber vorerst müssen wir uns noch was für die Flüchtlinge überlegen.

Da sind wir jetzt beim ganz anderen Thema. Was ich aufgezählt habe, das ist eine Utopie, die aber machbar wäre, wenn wir uns alle anstrengen. Aber es bedarf sehr sorgfältiger Vorbereitungen, eines großartigen Willens der Europäer, das auch zu tun, der fehlt zurzeit noch. Der Marshall-Plan hat ja auch eine zweite Seite, die man immer vergisst. Er hat ja Amerika selbst geholfen, denn das Steuergeld für den Marshall-Plan, das die Amerikaner gezahlt haben, blieb in Amerika. Sie haben ja nicht Geld nach Europa gegeben, sondern sie haben die Güter, die in Europa gebraucht wurden, in Amerika herstellen lassen, erzeugt, und dort bezahlt, und erst dann nach Europa geliefert.

Die Amerikaner wussten, dass nur ein wirtschaftlich florierendes Europa wieder demokratisch werden kann?

Auch wollten sie einen Handelspartner und Verbündete damit aufbauen. Sie haben gewusst, wenn man das zerstörte Europa sich selbst überlässt, wird der Kommunismus siegen. Er hätte auch gesiegt. Denn in Frankreich und Italien waren die kommunistischen Parteien fast schon regierungsreif. Das hätte nicht lang gedauert. Nach 1949 ist dann endgültig klar geworden, der Kommunismus siegt nicht mehr. Weil der amerikanische Wohlstand und die mitgebrachte Demokratie war bedeutend attraktiver. Aber ohne Marshall-Plan wären wahrscheinlich die Kommunisten siegreich gewesen.

Werden wir erst dann begreifen, dass wir in Afrika aktiv werden müssen, wenn noch viele Millionen Flüchtlinge gekommen sind?

Es kommen schon jetzt Ideen dieser Art auf, selbst in Deutschland wird geliebäugelt mit einem gemeinsamen Plan für Afrika. Aber ich glaube, die Europäer brauchen immer ziemlich lang, bis sie kapieren, was in ihrem eigensten Interesse zu liegen hat.

Wenn es wirklich stimmt, dass man die Mittelmeerroute schließen kann, wenn die Anzahl der Flüchtlinge deutlich reduziert wird, dann wird der Druck auf Europa aber wieder weniger.

Ich weiß nicht, wie man den Druck deutlich reduzieren kann ohne Gewalt. Es ist ja eigentlich auch die Balkanroute mit Gewalt geschlossen worden. Man hat die Flüchtlinge zurückgedrängt nach Griechenland, die Griechen sind da ordentlich drangekommen und kommen noch immer ordentlich dran. Mit Menschenrechten hatte das nichts zu tun, die Balkanroute zu schließen.

Aber der Plan ist ja, die Mittelmeerroute zu schließen und in Afrika Flüchtlingslager zu bauen. Möglichst viele Flüchtlinge sollen zu Hause erzählen, du hast keine Chance, nach Europa zu kommen.

Das wäre ein ganz guter Plan, wenn das gelänge. Vorausgesetzt, dass die nordafrikanischen Staaten überhaupt willens sind, das mitzumachen.

Afrika ist politisch gespalten, auch in Stämme, religiöse Gruppen wie Boko Haram in Nigeria, verfolgen alle Christen. Insgesamt werden 100 Millionen Christen auf der Welt verfolgt. Müssen wir mehr verfolgte Christen aufnehmen?

Ja, es gibt viele Leute, die sagen, die Christen sind unsere Glaubensbrüder. Aber es geht prinzipiell um alle dort, nicht nur um die Christen. Es geht um die Rettung der Menschen in Afrika.

Ein wichtige Frage: Korruption. Viel Geld, das nach Afrika geht, kam in Koffern der Diktatoren zurück zu Schweizer Banken. Müssen wir nicht mehr die Korruption bekämpfen?

Natürlich. Da gehört alles Mögliche dazu. Ein wirkliches Hilfspaket für Afrika bedingt, dass die Europäer selbst die ganze Organisation in die Hand nehmen und selbst verwalten. Das geht weit über den Marshall-Plan hinaus, aber auch die Amerikaner haben damals überall Kontrollen eingeführt.

Das Ganze kann nur funktionieren, wenn die EU die afrikanischen Regierungen an der Hand nimmt.

Sie gehören unter Aufsicht! Die Amerikaner haben uns auch kontrolliert, bis zum Schluss. Und das war ein Segen für Europa. Sonst wäre alles auf dem Schwarzmarkt verschwunden.

Landwirtschaftliche Produkte gehen aus der EU nach Afrika, dort werden die Preise unterboten und so macht die Produktion für die Afrikaner oft keinen Sinn mehr.

Man muss natürlich auch den Handel verändern. Das geht nicht, dass wir mit unseren Produkten die afrikanischen Bauern unterbieten.

Wo ist jetzt der Hoffnungsschimmer, wer wird das durchsetzen, dass wir beginnen? Das neue Duo Merkel / Macron?

Alles hängt vom Motor Paris/Berlin ab. Das ist keine Frage, denn die ganze Europäische Union wäre ohne die unmittelbare Kooperation Deutschland/Frankreich nicht in Schuss gekommen. Und die Deutschen waren da gar nicht zimperlich. Sie waren noch gedrückt von ihrer Kriegsschuld und von Auschwitz und haben mit Freude anerkannt, dass die politische Führung in Paris bleibt. Das hat der Adenauer anerkannt und alle seine Nachfolger lange auch.

Das System, Frankreich ist der politische Chef, Deutschland der wirtschaftliche – das soll so bleiben?

Nein, das muss man erst wieder herstellen, das ist ja schon längst weg. Mit dem Maastricht-Vertrag hat sich das endgültige Gewicht auf Deutschland verlagert. Die Aufgabe der D-Mark zugunsten des Euros war eine große Geste der Deutschen.

Der frühere deutsche Außenminister Genscher hat mir einmal gesagt, er wollte das schon vor 1989 machen.

Ja, weil die deutsche Regierung wusste, dass sie nur unter Verzicht auf die D-Mark als Deutsche gleichberechtigt anerkannt werden. Das heißt, der Euro bleibt Teil des Friedenswerkes in Europa. Egal, wie schwierig es mit dem Euro ist.

Der Euro wird sicher mit französischer Begleitung und Mitarbeit noch viel stabiler werden. Macron hat ja selbst verlangt, dass die Euro-Zone einen eigenen Finanzminister hat, dass es ein eigener Wirtschaftsraum wird und Merkel war da nicht abgeneigt.

Vor den Wahlen sagt sie das aber nicht.

Faktum ist, dass der jetzige Präsident der Europäischen Zentralbank, Draghi, das ja schon längst durchführt. Während der Wirtschaftskrise hat Draghi den Euro mit einem Satz gerettet: "Ich werde dafür sorgen, dass der Euro stabil bleibt." Man hat ihm geglaubt, und er hat es auch getan. Und er hat alle Anleihen aufgekauft. Und ich habe damals den Raiffeisengeneral Dr. Konrad gefragt, was wird das Ende von der Krise sein. Und er hat – wie aus der Pistole geschossen – gesagt, der Euro-Bond. Und Draghi macht ja nichts anderes, er kauft Staatsanleihen auf und von wem werden die garantiert? Von allen Euro-Ländern.

Aber er macht das illegal.

Ja, weil er das Mandat nicht hat, er tut es aber.

Das heißt, wir haben schon einen europäischen Finanzminister, der es aber gar nicht sein dürfte.

Ja, den müssen wir erst installieren. Im Namen aller Länder, die den Euro haben, gemeinsame Anleihen aufzulegen und sie auch zu verzinsen mit Euro-Bonds.

Wir reden jetzt bereits mehr als eine halbe Stunde und es blitzt bei Ihnen mehr Optimismus auf als bei vielen anderen Leuten, die ich treffe. Woher kommt der Optimismus?

Ich war immer Optimist und immer war es berechtigt. Was macht den Macron heute aus, sein Optimismus. Wenn man nicht mit Zuversicht in die Zukunft blickt mit dem Willen, etwas auch zu tun, dann werden wir Europa nicht retten.


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