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    Plädoyer für den modernen Ritter  

Alexander von Schönburg - Presse   2018-08-26    
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Der Journalist Alexander von Schönburg erklärt, warum Nobilität und Manieren etwas Gutes sind und wie man auch heute anderen mit Anstand begegnen kann.
In seinem neuesten Buch, „Die Kunst des lässigen Anstands“ (Piper, 370 Seiten), plädiert er dafür, die ritterlichen Seiten in uns wieder zu pflegen und Tugenden wie Klugheit, Humor, Treue, Demut und Diskretion anzuwenden. Er fordert aber auch: „Lasst uns wieder mehr miteinander streiten! Aber bitte mit Takt und gegenseitigem Respekt.“
Leider ist das hochinteressante Vorwort zum Buch nicht in der online Ausgabe der Presse verfügbar. Somit ist warten auf den Erscheinungstermin angesagt.


Der Journalist Alexander von Schönburg erklärt, warum Nobilität und Manieren etwas Gutes sind und wie man auch heute anderen mit Anstand begegnen kann. Er hat 27 Tugenden wie Demut, Humor, Toleranz und Coolness zusammengetragen. Ein Auszug aus dem Vorwort seines neuen Buches.

_ VON ALEXANDER VON SCHÖNBURG

Dieses Buch geht der Frage auf den Grund, ob und wie es auch heute möglich ist, dem allgemeinen Credo der Selbstbezogenheit und Beliebigkeit etwas entgegenzusetzen. Wir bestimmen durch unser eigenes Verhalten ja mit, wie die Welt beschaffen ist. Wenn alle um uns herum kulturell abgleiten und nur noch mit Bildschirm vor der Nase und wahlweise Jogginghose oder Rollkoffer durch die Welt rauschen, ist das kein Grund, mit abzugleiten. Im Gegenteil: Bewahrer tradierter und altmodischer Vorstellungen zu sein ist in Zeiten, in denen die Mehrheit dabei ist, alles Bewährte und Gelehrte aus dem Fenster zu schmeißen, die rebellischere Haltung.

Die gesamte Ratgeberliteratur, die ganze Kultur der How-to-Bücher, beruht auf dem Versprechen, das „Ich“ zu optimieren. Der wichtigste Anspruch unserer Zeit ist es, die eigene Identität frei konstruieren zu können. So fühlt sich die moderne Elite nur noch sich selbst gegenüber verantwortlich, diesem Ideal gehorchend, versucht sie, alle Konventionen und Dogmen, die den Menschen belasten, loszuwerden und Selbstbestimmtheit als einzigen Sinn und Zweck des Daseins zu betrachten. Wir leben im Zeitalter des Poststrukturalismus, und damit geht der Verlust jeglicher Schranken und Gewissheiten einher.

Aber zu jeder Entwicklung gibt es eine Gegenentwicklung. Was, wenn man der Geisteshaltung der modernen Elite Widerstand leistet und ihr eine neue Form von Nobilität entgegenhält? Der Begriff „Manieren“ wurde auch beim Festungsbau verwendet und bezeichnete das jeweils notwendige Befestigungssystem. Je nach Bedrohungspotenzial variierten die Manieren, nach denen gebaut wurde. Vielleicht ist es heute an der Zeit, wieder ein paar Gedanken auf unsere Baugesetze zu verschwenden, damit alle Menschen – nicht zuletzt die am Rande der Gesellschaft – darin ihren Platz finden können. Die Zeit, in der Eleganz per se verdächtig ist, ist vorbei. Jede Zeit hat die Helden, die sie benötigt. Nach dem mit perfekt geschnittenem Anzug auftretenden James Bond der 50er- bis 90er-Jahre, für den das Wort „suave“ passte, folgte der unrasierte, deutlich vulgärere von Daniel Craig verkörperte Bond, nach dem soignierten Derrick folgte der Kult der unrasierten und äußerlich verwahrlosten Schimanskis und Tschillers. Aber das ist jetzt vorbei. Craig hat versprochen aufzuhören, Götz George lebt nicht mehr und Til Schweiger nervt, der Proletenkult, die „populäre Feier des Vulgären“ (Jens Jessen), liegt in den letzten Zügen, es gibt ein weitverbreitetes Unbehagen an der Formlosigkeit, und in der entscheidenden Runde in diesem Duell gilt es, auf der richtigen Seite zu stehen.

Ohne Titel adelig werden. Begriffe ändern ihre Bedeutung. So wie Höflichkeit nicht mehr unmittelbar mit höfischem Benehmen zu tun hat, so haben Nobilität und Ritterlichkeit heute, anders als früher, nichts mehr mit Pferden zu tun. An der Stelle, apropos Pferd, ein Dialog aus Friedrich Torbergs „Tante Jolesch“: Zwei Freunde sitzen im Kaffeehaus, da kommt ein Mann mit Reitstiefeln herein. Sagt der eine zum anderen: „Ich hab ja auch kein Pferd, aber dermaßen kein Pferd wie der habe ich nicht.“ Pardon! Ich musste das einfach zitieren, auch wenn es hier nichts zur Sache tut. Was ich eigentlich sagen will: Nobilität ist auch ohne Pferd möglich. Ursprünglich wollte ich dieses Buch mal „Wie man ohne Titel adelig wird“ nennen, worauf es mir ankommt, ist jedenfalls, dass Adel nichts mit Geburt, aber sehr viel mit Kultur zu tun hat, die man sich aneignen kann. Oder eben nicht.

Nicht alles, was der Adel bewirkt hat, war segensreich, aber niemand wird leugnen, dass es ein paar Werte, Traditionen, Denkweisen und tugendhafte Eigenarten gibt, die in Adelskreisen besonders hochgehalten worden sind und ein bewahrenswertes kulturelles Reservoir darstellen. Auf der Suche nach Eigenarten, die man mal als „edel“ bezeichnete, werde ich immer wieder auf Beispiele aus der ritterlichen Literatur zurückgreifen, weil gerade in den Archetypen der ritterlichen Epik etwas sehr Schönes, etwas spezifisch Abendländisches, aufscheint: Ritterlichkeit vereint auf ziemlich unwiderstehliche Art das Ethische und das Ästhetische mit dem Starken.

Ein ritterlicher Held ist immer auf der Seite des Guten und verbindet das immer mit Stärke. Ein Ritter ist eben nicht per se ein Mr. Nice Guy, aber er verteidigt das Gute und kämpft für die Schwachen. Bei aller Anmut ist da eine starke Dosis Wehrhaftigkeit im Spiel. Das Faszinierende an der Ritterlichkeit ist, dass sie es im Idealfall schafft, das Unversöhnliche zu versöhnen: Anmut und Stärke, Kraft und Milde.

Die eigentliche Herausforderung liegt letztlich darin, Coolness und Kindness miteinander unter einen Hut zu bringen und damit gedanklich den Widerspruch zwischen zwei eigentlich unvereinbaren Polen zu versöhnen, die um den Kern der Ritterlichkeit kreisen. Ich meine den ewigen Widerspruch zwischen weltmännischer Lässigkeit und mitfühlender Güte. Das aus der Antike geerbte Heldenideal ist eher kalt, also „cool“, es favorisiert Tatkraft, Überlegenheit, Macht, Ruhm und Ehre. Das postantike christliche Ideal besingt eher die Milde, den Kult des Schwachen, der Selbstverleugnung. Es geht, um es mit vertrauten Bildern zu illustrieren, darum, wie man die Menschenfreundlichkeit eines Ned Flanders von den „Simpsons“ mit der Härte eines Kriegers `a la Django unter einen Hut kriegt. [. . .]

Keine Frage der Geburt. Ritterlichkeit war nie eine Frage der Geburt und kann es heute erst recht nicht mehr sein, weil die alte Aristokratie längst ihre historische und soziologische Bedeutung verloren hat, ein neuer Adel aber noch nicht sichtbar ist. Wir befinden uns also in einer Übergangszeit, in der sich Nobilität erst wieder neu konstituieren muss. Ein idealer Zeitpunkt für so ein Buch, und wer sonst als ein Angehöriger der untergegangenen Oberklasse sollte es schreiben, der auf dem Boden einer modernen Angestelltenexistenz steht, also den Vorteil hat, als Brücke zwischen Altem und Neuem zu fungieren. Neuen Adel gab es schon immer. Im Grunde besteht der ganze Adel aus neuem Adel. Ein König hat immer einen Ahnen, der sich irgendwann nach oben geputscht hat. Und es gab historisch immer verschiedenste Möglichkeiten, adelig zu werden.

Bei den Germanen wurden aus manchen Freien Edelfreie, die mehr Ansehen und Führungsanspruch hatten, weil sie im Kampf besonders erfolgreich waren und eine große Gefolgschaft hatten. Andere wurden adelig, weil sie das Vertrauen des Häuptlings genossen, und gehörten, streng genommen, zum Dienstpersonal. Familien wie meine waren Knechte am Hof von Kaiser Barbarossa, der vertraute seinen Dienstboten mehr als irgendwelchen großkopferten Edelfreien, hob deshalb Leute wie meine Vorfahren in den Adelsstand und schickte sie in abgelegene Kolonialgebiete, in unserem Fall das heutige Südwestsachsen, um dort für Ordnung zu sorgen.

Dass ein Großteil des karolingischen und kapetingischen Hochadels ursprünglich aus dem Dienstpersonal stammt, ist übrigens auch an manchen Titeln und Ehrenbezeichnungen abzulesen. In dem Titel Marschall steckt sogar noch das Wort marescalsus , das ursprünglich „Pferdeknecht“ hieß. Der Kämmerer, eine Position, aus der später der Finanzminister wurde, war ursprünglich dafür zuständig, dass Betten bei Hofe hergerichtet waren, erst mit der Zeit wurden aus Dienerrollen die mächtigsten Posten des Landes. [. . .]

Was ist heute nobel? Wie, das ist die Frage, der ich in diesem Buch auf den Grund gehen will, kann man heute Ritterlichkeit leben? Was ist Nobilität, was ist Anstand heute? Ich erörtere diese Frage immer wieder aus adeliger und christlicher Perspektive, denn das ist die einzige Perspektive, die mir zur Verfügung steht. Ich orientiere mich dafür an den klassischen Tugenden und habe dort, wo es mir notwendig schien, ein kleines Update vorgenommen.

Man kann, zumindest in Europa, nur über Tugenden sprechen, wenn man das auf der Basis der im Abendland vermittelten klassischen Tugendlehre tut. In Abwesenheit eines gemeinsamen sittlichen Koordinatensystems ist ein Buch über Tugenden eigentlich völlig abwegig und dadurch paradoxerweise absolut notwendig. Die Wertedebatten der vergangenen Jahre waren ein Anfang, auch wenn ihr biederer Grundton zutiefst abstoßend war, aber sie zeigten immerhin, dass uns langsam unwohl bei dem Anblick des sich immer rascher leerenden Reservoirs tradierter Vorstellungen wird. Wir tun übrigens auch den Menschen, die aus fremden Kulturen zu uns kommen, keinen Gefallen, wenn wir ihnen vermitteln, sie seien in ein Land gekommen, das keine spezifischen kulturellen Vorstellungen, also auch keine allgemeinen Regeln und Gebräuche kenne. Die Menschen, die Europa so attraktiv finden, tun dies ja nicht nur, weil sie unser Sozialsystem, sondern auch unsere Kultur anzieht. Wenn wir unsere eigene Kultur verleugnen, begehen wir also Verrat an denen, die bei uns Zuflucht suchen. Diese Alles-istokay- Welt, diese Kultur der völligen Beliebigkeit, der wir ausgeliefert sind, geht eigentlich inzwischen jedem halbwegs vernünftigen Menschen auf den Wecker. Wir können uns glücklich schätzen, in einer Gesellschaft zu leben, die liberaler, weltoffener und toleranter ist als alle Gesellschaften vor uns, aber wenn wir an den Punkt kämen, dass alles gleichermaßen zulässig wäre und nur das Überlieferte als per se überholt und falsch angesehen würde, dann wäre das Projekt der Moderne an sein natürliches Ende gelangt.

Noch eine Vorwarnung: Von Ritterlichkeit und Anstand zu reden, anderen darüber etwas beibringen zu wollen ist natürlich gewagt. Dieses Buch enthält zum Beispiel ein Kapitel über die Tugend des Maßhaltens, eine besonders wichtige Tugend, eine der vier sogenannten Kardinaltugenden. Dieses Kapitel steht hier, obwohl ich gestern Abend drei Nogger gegessen habe, nicht nach , sondern zum Abendessen. Wenn die Autorschaft eines solchen Buches voraussetzen würde, dass der Erzähler von einem Podest moralischer Überlegenheit herabspricht, würde das, fürchte ich, sowohl den Verfasser als auch die Leser überfordern. Es hat immer wieder Bücher wie dieses gegeben, auch gute, und sie sind in den seltensten Fällen von besonders tugendhaften Autoren verfasst worden. [. . .] Jedes Buch ist auch Eigentherapie. Vielleicht beschreibe ich in diesem Buch nur die Person, die ich gern irgendwann sein würde. Folgenden Satz finde ich da tröstlich: „La civilisation n’est pas encore termin´e e.“ Norbert Elias hat diesen Satz seinem Monumentalwerk „Über den Prozess der Zivilisation“ vorangestellt. Er wird sich etwas dabei gedacht haben. Wenn Zivilisation kein abgeschlossener Prozess ist, dann ist es meine eigene – und unser aller – Zivilisiertheit auch nicht.

Alexander von Schönburg, *1969, ist Journalist bei der „Bild“-Zeitung, Autor („Die Kunst des stilvollen Verarmens“, 2005) sowie Chef des gräflichen Glauchauer Zweigs des Hauses Schönburg. Seine Schwester ist Fürstin Gloria von Thurn und Taxis. In seinem neuesten Buch, „Die Kunst des lässigen Anstands“ (Piper, 370 Seiten), plädiert er dafür, die ritterlichen Seiten in uns wieder zu pflegen und Tugenden wie Klugheit, Humor, Treue, Demut und Diskretion anzuwenden.

Er fordert aber auch: „Lasst uns wieder mehr miteinander streiten! Aber bitte mit Takt und gegenseitigem Respekt.“


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