Donnerstag, 01.05.2025 - 18:01:21 |
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Die Gleichgültigkeit der Bürger zum Thema Überwachung und Datenschutz ist gefährlich, besonders wenn es um Massenüberwachung geht. Mitbürger wacht endlich auf - Kämpft um und für eure Freiheit! |
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„1945, Ende April, in den Schrebergärten von Ottakring hat der Frühling gesiegt, im Wienerwald sind die Russen und man hört das Donnern der Kanonen. Immer, wenn die Kanonen eine kleine Pause machen, beginnen sofort die Vögel zu singen und die Grillen zu zirpen.
Ich schleiche mich aus meinem Versteck zwischen den Büschen und werfe einen Blick auf den Flötzersteig und da sehe ich folgendes: Da stehen zwei Männer im Schatten eines Nussbaumes, in der Uniform der Waffen-SS und schauen unverwandt hinauf in Richtung Steinhof. Was machen die da? Die werden doch nicht zu zweit wollen die Rote Armee aufhalten. Die haben eine ganz andere Aufgabe offensichtlich. Die beobachten, ob nicht etwa ein Volkssturmgreis oder ein Volkssturmkind den Flötzersteig in Todesangst heruntertaumelt und versucht, seine Panzerfaust irgendwo zu deponieren. In diesem Fall würden sie den Verräter erwischen und treu wie sie sind, würden sie ihn aufhängen, womöglich auf den Nussbaum, unter dem sie stehen, der ganz bestimmt ja nichts dafür kann. Treue ist ein wertvolles Ding. Ein wunderbares Wort und man soll es nicht in den Schmutz ziehen, aber Treue nicht erzwungen, sondern als Geschenk ist ein so wertvolles Gut, dass man sich überlegen soll, wem und wofür man es schenkt. Ich krieche zurück in meinen Schutz, in diese Schrebergartenhütte. Den ganzen Tag, die ganze Nacht höre ich die Schüsse und in der Früh höre ich ein neues Geräusch, das Rattern von Panzern, die den Flötzersteig hinunterfahren. Hinunter, hoffentlich nicht hinauf. Ich trenne den Judenstern von meinem Janker und schreite auf dem breiten Mittelweg hinaus auf den Flötzersteig. Und da fährt ein Panzer, oben drauf sitzen zahlreiche Russen, ich natürlich juble ihnen zu mit heller Knabenstimme. Ich war 16 Jahre alt, aber hab noch ausgeschaut wie ein Kind, wog kaum 40 Kilo, hatte keinen Bartwuchs, noch eine Kinderstimme, Sopran, guter Sopran und ich laufe neben diesem Panzer, die ganze Gablenzgasse hinunter, bis zum Gürtel. Die Russen haben mir zugewunken, haben mir zugelacht. Ich hab versucht, ein paar russische Lieder, die ich noch von meinem Vater im Kopf hab, zu singen. Haben sie gelacht über mein Russisch, haben sie gelacht über mein Singen? Es war ein großer Moment in meinem Leben. Am Gürtel wurden die Russen in ein Gefecht verwickelt. Hinter dem Märzpark, da war eine Gewerbeschule, da war noch drinnen die SS und die haben erbitterten Widerstand geleistet. Die Russen richten ihre Geschütze aus, ich stehe an der Seite und schaue zu, hinein, bumm, hinein, bumm. Ich steh an der Seite und denk mir, dort, in dieser Schule wird jetzt gestorben und steh wie im Traum verzückt und bin Zeuge, wie meine Heimatstadt und ich selber befreit werden. Für mich war es selbstverständlich eine Befreiung, für mich war es selbstverständlich ein Sieg. Nicht so für die Bevölkerung, die da in den Ruinen in der zerstörten Wiener Stadt sitzen. Und es waren ja hauptsächlich Frauen, die schlussendlich die Suppe auslöffeln mussten, wie so oft. Na so ein Mensch sitzt so in seiner Ruine, na was denkt er sich, was empfindet er, was für ein Bild hat er vor sich? Die Wohnung ist zerstört, von wem? Von den Bombardierungen der Engländer. Der Sohn ist gefallen, von wem? Die Russen haben ihn erschossen. Die Tochter ist vergewaltigt worden, von russischen Soldaten. Der Gatte ist gestorben in Frankreich. Bin ich jetzt erlöst, bin ich befreit? Natürlich nicht. Es war den meisten Menschen schier unmöglich die Situation so einzuschätzen. Die Menschen hatten das Gefühl wir haben den Krieg verloren, so und jetzt haben wir den Scherbenhaufen. Das war die allgemeine Empfindung und die allgemeine Meinung. Die Vergangenheit kann man verdrängen, kann man vergessen, vergessen der hysterische Jubel 1938, vergessen das Lied: ‚Wir wollen weitermarschieren, wenn alles in Scherben fällt, denn heute gehört uns die Ostmark und morgen die ganze Welt‘. Vergessen die Wochenschauen, wo man lachende deutsche Soldaten durch die brennenden russischen Dörfer weitermarschieren sieht. Vergessen auch das euphorische Gefühl, einer auserwählten Rasse anzugehören, die das Recht hat und vielleicht sogar die Pflicht hat, alle anderen zu besiegen, zu unterdrücken, zu versklaven und wenn es passt auch auszurotten. Die Gegenwart ist stärker wie die Vergangenheit, die Gegenwart existiert, die Vergangenheit existiert nicht mehr. Die Araber sagen ‚e la fat mat‘, die Vergangenheit ist tot, erledigt. Die meisten Menschen konnten das damals nicht anders sehen und nicht anders begreifen. Ich glaube nicht an eine Kollektivschuld, ich kann mir eine Kollektivschuld nicht erklären. Die Menschheit besteht aus einzelnen Personen und jeder muss und wird auch für sich selbst seine Rechnung machen, mit sich selbst, mit der Gesellschaft und auch mit der Umwelt. |
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