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Die Illusion vom schönen, gesunden Erdkabel


2015-11-16 Die Welt

Die Illusion vom schönen, gesunden Erdkabel

Thomas Vitzthum/

Stromtrassen müssen her, und viele Kommunen beschließen, dass nur noch Erdkabel verlegt werden dürfen.
Doch die Technik ist unausgereift, der Ausbau sehr teuer, und die Politik hegt Vorbehalte.     



Foto: pa/dpa Ingenieur Christian Henschke steht im Umspannwerk Berlin Friedrichshain in 20 Meter Tiefe
im 380KV- Tunnel, in dem die Starkstromkabel liegen. In der Hauptstadt sind Erdkabel bereits Realität


Die große Freileitung ist für Willi Traut ein gewohnter, aber kein geschätzter Anblick. Jeden Tag grüßt der Stahlmast, der eine 220-Kilovolt-Leitung trägt, herüber – kaum 100 Meter von Trauts Haus in Neuss-Reuschenberg entfernt. Als nun zu der leistungsschwächeren Leitung noch eine 380-KV-Leitung kommen sollte, ist Willi Traut aktiv geworden.

Der Rentner, der sich in der CDU engagiert, hat den Widerstand organisiert. Seine "Bürgerinitiative Pro Erdkabel Neuss-Reuschenberg" will Politik und den Betreiber des Übertragungsnetzes, Amprion, dazubringen, die Leitungen ganz verschwinden zu lassen. "Am sinnvollsten ist es, alle Leitungen, die von Norden nach Süden führen, unter die Erde zu legen", sagt Traut.


Er habe nichts gegen die Stromübertragung, die müsse sein, aber anders als bisher solle sie unterirdisch stattfinden. Aus ästhetischen Gründen, wie er meint, aber auch um die Belastungen durch elektromagnetische Felder so gering wie möglich zu halten. "Wir haben einfach Angst", sagt er.

4000 Kilometer neue Trassen

Wegen der Energiewende müssen nach derzeitiger Erkenntnis fast 4000 Kilometer neue Hochspannungsleitungen gebaut werden. Weil der Strom in Zukunft an der Küste produziert werden soll, die meisten Abnehmer jedoch im Süden sitzen. Noch gibt es keinen detaillierten Netzentwicklungsplan der Bundesregierung. Weder sind die genauen Streckenführungen bekannt, sondern nur Start- und Endpunkte.


Noch sind sich die Experten einig, wie viele Kilometer es schließlich wirklich sein müssen. Jeder Kilometer wird wohl dann erst erkämpft werden müssen. In Neuss-Reuschenberg geht es um drei, die nahe an einem Wohngebiet vorbeiführen. Wie bei den meisten neuen handelt es sich um eine 380-KV-Leitung. Diese Spannung wird bisher über Freileitungen übertragen, die Masten sind bis zu 75 Meter hoch. Ein herber Eingriff in die Landschaft. Da scheint das unsichtbare Erdkabel wie eine perfekte Lösung.


Allerdings gibt es dabei mehr als ein Problem:


Die Technik ist bisher kaum erprobt

"Was so einfach klingt – Leitungen einfach einzugraben, ist technisch allerdings höchst komplex und auf Höchstspannungsebene in Deutschland bislang nicht erprobt", schreibt das Bundesumweltministerium in einem eigens für die "Welt" erstellten Papier zum Thema. Damit seien Herausforderungen an die Netzsicherheit verbunden, die nicht unterschätzt werden dürften. Tatsächlich gibt es bis auf fünf Kilometer in Berlin kein 380-KV-Höchstspannungskabel in Deutschland unter der Erde.


Während viele Bürger glauben, es sei allenfalls eine Frage des politischen Willens, ob man ein Leitung aufhängt oder eingräbt, beantwortet die Technik diese Frage ganz anders. So hat sich gezeigt, dass um die Kabel herum das Erdreich warm wird, teilweise um bis zu 20 Grad. Das verändert die Flora und Fauna im Boden, was Probleme für die Landwirtschaft und in Schutzgebieten aufwerfen kann.


Ein weiteres Problem ist, dass Kabel verbunden werden müssen. Dazu braucht es sogenannte Muffen. Etwa im Abstand von 50 bis 80 Metern stehen ober- oder unterirdische Bauwerke, die begehbar sein müssen. Kommt es hier zu Kurzschlüssen, so handelt es sich meist um veritable Explosionen. In jedem Fall wäre also ein Sicherheitsabstand zu den Bauwerken einzuhalten – auch das bedeutet eine Beeinträchtigung der Landschaft.


Erdkabel gelten als "gesünder"

Das trifft auch für das Gebiet zu, wo Freileitungen in die Erde überführt werden. "Hier kann es schon einmal um Bereiche gehen, die die Größe eines Fußballfeldes haben", sagt Frank Gollnick vom Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen.


Gollnick hat sich intensiv auch mit den gesundheitlichen Aspekten der Technologien auseinander gesetzt: "Unmittelbar über einem Erdkabel ist dabei das magnetische Feld stärker als unter einer Freileitung. Allerdings nimmt es schneller nach den Seiten hin ab."


Willi Traut von der Bürgerinitiative Neuss-Reuschenberg kennt diese Tatsache. "Ein Erdkabel verhindert, dass unsere kleinen Kinder krank werden", sagt er. Tatsächlich haben etwa 20 internationale Studien ermittelt, dass es in unmittelbarer Nähe zu Freileitungen ein erhöhtes Risiko für Kinderleukämie gibt.


Studien zu Gleichstromleitungen fehlen

"Allerdings", gibt Gollnick zu Bedenken, "beruhen diese Ergebnisse auf statistischen Analysen von Krankheitsdaten, Befragungen der Bevölkerung und Feldmessungen. Das ist noch kein wissenschaftlicher Beweis, weil Experimente mit Tieren oder Zellen noch ausstehen." Darüber hinaus, sagt er, stammten etwa zwei Drittel der Feldbelastung in einem Haushalt von elektrischen Geräten wie Fön, Staubsauger oder der hauseigenen Verkabelung.


Die Befürworter von Erdkabeln wollen aber noch mehr. "Wir setzen uns für die Gleichstromtechnik ein", sagt Willi Traut. Die meisten Freileitungen transportieren Wechselstrom. Die Verluste bei Gleichstrom etwa sind geringer, aber diese Technik würde neue Netze erfordern. Gleichstrom erzeugt anders als Wechselstrom ein Feld, das dem des Erdmagnetfelds ähnelt.


Aus Sicht seiner Befürworter ist es damit "natürlich" und somit gesünder. "Diese Annahme beruht aber auf einem Gefühl", sagt Gollnick. "Es gibt aber überhaupt keine Studien zur gesundheitlichen Belastung durch Gleichstromleitungen."


Politik erlaubt derzeit nur Pilotprojekte

Doch alle diese Fragen und Probleme stellen sich im Moment noch gar nicht. Denn während immer mehr Kommunen und Bürger beschließen, dass in ihrem Lebensumfeld nur Erdkabel verlegt werden sollen, hat der Gesetzgeber dem einstweilen einen rechtlichen Riegel vorgeschoben. Um die technischen Herausforderungen zu ergründen, wurden im Energieleitungsausbaugesetz von 2009 lediglich vier Pilotstrecken vorgesehen.


Regulär werden 380-KV-Leitungen noch gar nicht unterirdisch verbaut. Der Neusser Bürgerinitiative wäre es deshalb am liebsten, ihre Strecke würde auch als Pilotprojekt ausgewiesen – aller Risiken zum Trotz. Doch eine Ausweitung ist von Seiten der Bundesregierung nicht vorgesehen.


Der Betreiber der Neusser Leitung, Amprion, hat auch eine Teststrecke im Bau. Dabei zeigte sich, dass für die Kabel eine durchgehende Bahn von 25 Meter Breite eingerechnet werden muss, für den Bau braucht es schwerstes Gerät, auf dem die Kabeltrommeln transportiert werden können. Dafür sind befestigte Straßen notwendig. Solche Voraussetzungen erschweren den Bau von Erdkabeltrassen in der Nähe von dicht besiedelten Gebieten erheblich.


Die Zeit läuft davon

Selbst wenn die Technologie nun schnell Fortschritte machen sollte, ausgereift ist sie wohl zu spät. "Wir haben nicht die Zeit, den Leitungsbau zu stoppen, bis die Pilotprojekte ausreichende Ergebnisse bringen", sagt ein Sprecher von Amprion. Vor 2018 sei nicht damit zu rechnen. Doch schon jetzt sind die Netze in Deutschland überlastet, werden neue Trassen benötigt.


Am Ende sind Erdkabel auch eine Frage des Geldes. Laut Amprion kostet ein Kilometer Freileitung 1,5 Millionen Euro. Die gleiche Strecke in der Erde dagegen 10 Millionen. Selbst Bürgerinitiativen gehen von den 2,5-fachen Kosten aus. Das Papier aus dem Umweltministerium spricht von einem Faktor vier bis sechs.


Doch das Geld-Argument will Willi Traut aus Neuss nicht gelten lassen. "Mittlerweile sind so viele Betriebe von der Ökosteuer befreit. Da muss man etwas machen", sagt er. Er hofft, dass am Ende vor seinem Haus zumindest keine neue Freileitungs-Trasse gebaut werden muss, sondern auf die bestehende eine 380-KV-Leitung gehängt werden kann.


Er selbst hat allerdings schon andere Konsequenzen aus dem jahrelangen Ärger gezogen: "Ich mache meinen Strom jetzt selbst. Ich hab mir vor acht Wochen eine Photovoltaik-Anlage aufs Dach gebaut. Ich will nicht mehr abhängig sein."


Foto: Infografik Die Welt
Energie, Kohle, Öl, Klima, Verkehr, Ökostrom, Strom, Windenergie, Solarstrom, Biogas
Kommentare und Hervorhebungen: JPS

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