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Auf dem Weg zur Trottelsprache

S.P.O.N. - Der Schwarze Kanal: Auf dem Weg zur Trottelsprache

Eine Kolumne von Jan Fleischhauer

Erst "Pippi Langstrumpf", jetzt die "Kleine Hexe": Nach den Schulbüchern werden die Kinderbücher politisch korrekt umgeschrieben. Die Frage ist: Wer soll hier eigentlich vor wem geschützt werden?

Kinderbuch 'Kleine Hexe': Politisch korrekt umgedichtet Zur Großansicht

Kinderbuch "Kleine Hexe": Politisch korrekt umgedichtet

Darf man eigentlich noch Eskimo sagen? Sprachwissenschaftler haben herausgefunden, dass Eskimo von einem Wort abstammt, das übersetzt so viel wie "Rohfleischesser" bedeutet. So will man natürlich niemanden bezeichnen, schon gar nicht in Zeiten, in denen der Genuss rohen Fleisches über gesundheitliche Gründe hinaus als hochbedenklich gilt. Deshalb wäre mein Ratschlag an alle, die sich zu den aufgeklärten Zeitgenossen zählen: Reden Sie lieber von Inuit, Einzahl Inuk. So wird es auch in den Schulen gelehrt, so steht es in den Zeitungen.

Inzwischen ist man sich weitgehend einig, dass die Sache mit dem Rohfleisch Unsinn ist. Vermutlich leitet sich Eskimo von einem Wort ab, das "Schneeschuhflechter" bedeutet. Die kanadische Anthropologin José Mailhot glaubt, dass Eskimo einfach heißt: "Menschen, die eine andere Sprache sprechen." Man sieht, die Linguistik hat sich wirklich ernsthaft mit dem Problem auseinandergesetzt. Aber das alles ändert nichts daran, dass vom Gebrauch nur abgeraten werden kann. Eskimo ist out. Man sagt schließlich auch nicht mehr Indianer, wenn man von den Ureinwohnern Amerikas redet (kleiner Tipp: Es heißt indigene Völker!).

Man kann bei dem Thema gar nicht vorsichtig genug sein. Auf Unworte folgen leicht Untaten, das wusste schließlich schon der ehemalige Bundespräsident Johannes Rau. Der Thienemann-Verlag hat jetzt beschlossen, "Die kleine Hexe" von verfänglichen Wörtern zu säubern. In einer Szene, in der sich Kinder als Türke, Chinesenmädchen und "Neger" verkleiden, wie es dort noch unbedacht heißt, sollen nach der Überarbeitung andere Verkleidungen stehen.

Vorauseilende Entschuldigungsbereitschaft

Ganz einfach wird die Operation nicht: Indianer oder Eskimos fallen aus den oben beschriebenen Gründen aus. Auch Araber oder Zigeuner verbieten sich, weil rassistisch beziehungsweise islamfeindlich. Selbst Hexe ist heute irgendwie diskriminierend. Trotzdem müssen nach dem Klassiker von Otfried Preußler bei Thienemann nun alle Kinderbücher auf den Prüfstand, um sie von "veralteten und politisch nicht mehr korrekten Begrifflichkeiten" zu befreien, wie Verleger Klaus Willberg angekündigt hat. Willberg folgt dabei einem allgemeinen Trend: In "Pippi Langstrumpf" wurde schon vor längerem aus dem "Negerkönig" ein "Südseekönig", wie man bei dieser Gelegenheit erfuhr.

Man soll niemanden beleidigen oder kränken. Eine Rücksichtnahme auf die Empfindlichkeiten anderer gehört zu den guten Umgangsformen. Die Frage ist nur: Wer wird hier vor wem geschützt? Oft reicht schon der Verdacht, jemand könnte sich in seinen Gefühlen verletzt fühlen, um zu einer Sprachbereinigung zu schreiten. Es ist die vorauseilende Entschuldigungsbereitschaft, die das politische Lektorat vom Ernsthaften ins Lächerliche führt.

Ich zum Beispiel habe noch nie einen Schwarzen getroffen, der daran Anstoß genommen hätte, dass in Deutschland über Jahrzehnte die berühmten Negerküsse und Mohrenköpfe verkauft wurden. Das mag daran liegen, dass ich die falschen Schwarzen kenne. Aber vielleicht ergeht es den Leuten, die ich treffe, auch einfach wie den Berlinern, denen es herzlich egal ist, wie die entsprechenden Krapfen heißen. Vermutlich leben in Deutschland auch nicht sehr viele Inuit, die es als Kränkung empfänden, wenn wir weiterhin von Eskimos sprechen würden.

Ein Inuk des Medienzeitalters

Mag sein, dass ich bei dem Thema, herkunftsbedingt, zu wenig sensibel bin. Zu meinen Ausbildern in der Journalistenschule gehörten nicht die braven Menschen aus Darmstadt, die jedes Jahr das Unwort des Jahres suchen, sondern der strenge Sprachlehrer Wolf Schneider, der für politische Vorgaben wenig Interesse hatte und Burkina Faso unverdrossen weiter Obervolta nannte, weil er nicht bei jedem drittklassigen Militärputsch die nächste Staatsumbenennung mitmachen wollte, wie er uns leichthin mitteilte. Sprache sollte bei Schneider vor allem kraftvoll und anschaulich sein. Damit gehörte er selbst zu einer aussterbenden Art, ein Inuk des Medienzeitalters sozusagen.

Man kommt schnell in Untiefen, wenn man sich auch sprachpolitisch als Kosmopolit erweisen will. Niemand fliegt heute mehr nach Bombay. Alle Welt reist stattdessen nach Mumbai, so steht es in den Reiseführern, so listet die Lufthansa die indische Metropole in ihren Flugplänen auf. Leider ist Mumbai keine Erfindung indischer Freiheitskämpfer, die nachträglich das koloniale Erbe abschütteln wollen, sondern ein Begriff der Hindu-Nationalisten, die mit dieser Umbenennung ihren Machtanspruch gegen die Muslime demonstrieren.

Je weiter man vordringt, desto komplizierter wird es. Der "Zentralrat Deutscher Sinti und Roma" findet es beleidigend, wenn man von Zigeunern spricht, deshalb hat sich in Deutschland im offiziellen Sprachgebrauch "Sinti und Roma" eingebürgert. Die "Sinti Allianz" in Köln wiederum plädiert für die Beibehaltung des alten Begriffs, weil das nun einmal über Hunderte von Jahren die herkömmliche Bezeichnung war. Außerdem sind die Roma zwar die größte Gruppe der Zigeuner, aber beileibe nicht die einzige.

Professionelle Minderheitenschützer

Als die Schriftstellerin Herta Müller zu Besuch in Rumänien war, stellte sie überrascht fest, dass viele dort auf keinen Fall Roma genannt werden wollen, weil sie sich dadurch ausgeschlossen fühlen: "Ich bin mit dem Wort 'Roma' nach Rumänien gefahren, habe es in den Gesprächen anfangs benutzt und bin damit überall auf Unverständnis gestoßen."

Kaum ist ein neuer Begriff gefunden, vergeht etwas Zeit, bis auch dieser als abwertend empfunden wird. Die beklagte Benachteiligung oder Zurücksetzung einer Minderheit ändert sich ja noch nicht dadurch, dass man anders über sie spricht.

So wird die "Euphemismus-Tretmühle" in Gang gesetzt, wie der amerikanische Harvardprofessor Steven Pinker diesen Vorgang genannt hat. Auf Ausländer folgt Migrant, auf Migrant der Mensch mit Migrationshintergrund. Wenn auch das pejorativ klingt, wendet man sich der anderen Seite zu und spricht von Pass- beziehungsweise Bio-Deutschen. Irgendwann ist man bei der Trottelsprache. Dann ist der Behinderte nicht mehr behindert, sondern "anders befähigt" beziehungsweise ein "Mensch mit anderen Bedürfnissen".

Den Stein ins Rollen gebracht hat im jüngsten Fall übrigens die Heinrich-Böll-Stiftung, wie man der aktuellen "Zeit" entnehmen kann. Mekonnen Mesghena vom Referat "Migration & Diversity" fand die "Kleine Hexe" beim Vorlesen so "rassistisch", dass er umgehend den Verlag alarmierte. Wer sich berufsbedingt mit Fremdenfeindlichkeit beschäftigt, kommt möglicherweise nicht umhin, hinter jedem Satz und Strauch eine Diskriminierung zu wittern.

Dass die professionellen Minderheitenschützer dabei einen merkwürdigen Paternalismus pflegen, ist eine Pointe, die den meisten zu entgehen scheint. Wer Minderheiten in Sprachwatte packt, weil sie angeblich so kränkungsempfindlich sind, kann sich offenbar nicht vorstellen, dass Stolz und Selbstbewusstsein dort groß genug sein könnten, um über ein paar Worte in einem Kinderbuch hinwegzusehen. Diese Geisteshaltung ist dem Neokolonialismus in jedem Fall sehr viel verwandter als dem vielbeschworenen Ideal der Emanzipation.


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