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Betriebsprüfun­gen: Finanz sitzt mit am Tisch


2016-02-07 Kurier

Betriebsprüfun­gen: Finanz sitzt mit am Tisch

Andrea Hodoschek

Beim Pilotversuch "Horizontal Monitoring" arbeiten 15 Großunternehmen eng mit den Steuerprüfern zusammen. Minister Schelling will das erfolgversprechende Modell weiter ausbauen.     

Die üblichen Verdächtigen sind bekannt. Google, Amazon, Starbucks oder Apple sind zum Synonym für Konzerne geworden, die jedes kleinste Schlupfloch weltweit nutzen, um Milliarden am Fiskus vorbei zu transferieren. Während Arbeitnehmer sowie kleine und mittelständische Firmen erst gar nicht die Möglichkeiten haben, die Steuersysteme derart auszureizen, versuchen nicht nur Google und Co. mithilfe gewiefter Experten Steuerminimierung bis zum Exzess. Wer internationale Standorte hat, kann mit Gewinnen und Verlusten noch kreativer jonglieren. Gemeint sind hier legale Steuerspar-Konstruktionen, nicht Hinterziehung.


Wenn dann alle paar Jahre die Großbetriebsprüfer der Finanz einfallen, geht’s hart auf hart. Dann wird erbittert "Räuber und Gendarm" gespielt, auf beiden Seiten. Das gesamte Rechnungswesen wird im Nachhinein aufgerollt und durchleuchtet, jeder Beleg drei Mal umgedreht. Oft haben die Mitarbeiter der Finanzabteilung schon längst gewechselt und die Nachfolger müssen sich selbst erst schlau machen. Eine Betriebsprüfung dauert bei einem größeren Unternehmen mehrere Monate, verschleißt enorm Kapazitäten und artet nicht selten zum Nervenkrieg aus.


Es geht auch ganz anders. "Horizontal Monitoring" heißt die enge Kooperation zwischen Konzernen und der Finanz im Expertensprech. Vorreiter sind die Niederlande, wo der Fiskus seit 2005 mit zahlreichen Unternehmen zusammenarbeitet – die Finanz, "dein Freund und Helfer".


In Österreich wurde 2012 unter der damaligen Finanzministerin Maria Fekterein Pilotprojekt gestartet, das noch bis Ende Juni 2016 läuft. Mit dabei sind 15 Großunternehmen, von Siemens bis zum Tiroler Holz-Konzern Egger. Das Projekt wird anschließend unter der Assistenz von Experten der Wiener Wirtschaftsuni evaluiert. Bis Ende September will Finanzminister Hans Jörg Schelling die Ergebnisse am Tisch haben.


So viel kann jetzt schon gesagt werden. Die Bilanz fällt positiv aus. Sowohl auf der Seite der Steuerpflichtigen als auch bei den Prüfern. Fünf weitere große Unternehmen stehen auf der Warteliste, etliche andere Firmen haben bereits Interesse angemeldet.


Schelling will "Horizontal Monitoring" daher optimieren und weiter ausbauen. Auf freiwilliger Basis. "Die Finanzverwaltung geht mit Großunternehmen und ihren Mitarbeitern im Gleichschritt. Genauso stelle ich mir eine moderne Finanzverwaltung vor", sagt Schelling auf KURIER-Anfrage.


Wie funktioniert das Modell, das einen absoluten Paradigmenwechsel einleitet und auf beiden Seiten neue Denk- und Verhaltensmuster erfordert?Die Unternehmen werden vom Fiskus zeitnah begleitet, anstatt mit hinterherhinkenden ex-post-Kontrollen gequält. Der Betriebsprüfer ist in der Firma de facto permanent mit an Bord.


Thomas Leissing, Finanz-Vorstand der Egger-Gruppe (knapp 7400 Mitarbeiter, zuletzt 2,3 Milliarden Euro Umsatz, 17 Werke in sieben Ländern), beschreibt ein Beispiel aus dem Alltag:


"Wenn wir eine Investition tätigen und uns über die Nutzungsdauer einer Maschine nicht klar sind, beraten wir uns mit dem Prüfer und bekommen rasch ein Feedback. Wir haben die Sicherheit, dass nicht Jahre später bei der Betriebsprüfung moniert wird, dass wir die Maschine nicht auf zehn, sondern auf 15 Jahre hätten abschreiben müssen". Abschreibungen mindern nämlich den Gewinn. Oder: Wie und wo sind Gewinne und Verluste einer neuen Auslandstochter steuerpflichtig.


"Das Steuersystem ist in Österreich sehr komplex. Wir haben jetzt bei unserer Steuerplanung Rechtssicherheit. Dafür sind die Transparenz-Anforderungen an das Unternehmen sehr hoch. Wir haben keine Geheimnisse vor der Finanz", erklärt Leissing. Nachsatz: "Die hatten wir vorher aber auch nicht". Der personelle Aufwand sei in Summe zwar nicht geringer, beobachtet Leissing, "aber wird gleichmäßiger verteilt".


Der Egger-Konzern möchte mit dem Monitoring ebenso wie die anderen 14 Pilotunternehmen "absolut weitermachen".


Die Unternehmen müssen am Beginn einen Eignungstest durchlaufen. Zuerst werden alle noch offenen Steuerjahre der Vergangenheit geprüft. Wenn vorhanden, wird das interne Steuerkontrollsystem gecheckt oder ein solches System wird gemeinsam entwickelt (Tax Control Framework). Der Prüfer muss auf Knopfdruck jederzeit den aktuellen Überblick haben. Wer versucht, zu tricksen und zu täuschen, fliegt sofort aus dem Programm hinaus.


"Mehr Kundenorientierung unserer Finanzverwaltung bringt Österreich einen wesentlichen Standort- und Wettbewerbsvorteil", kann Schelling der Rolle der Finanz als "Freund und Helfer" viel abgewinnen. Die Finanzwirtschaft lerne von der Privatwirtschaft, "umgekehrt wird das Vertrauen der Wirtschaft in unser Steuersystem gestärkt".


"Endlich ein positives Signal an die Wirtschaft und ein Standortvorteil. Österreich ist bei dem Thema weit vor Deutschland", kommt Hans Zöchling, Partner bei KPMG, beim Stichwort "Horizontal Monitoring" beinahe ins Schwärmen. Der Wirtschaftsprüfer betreut drei Teilnehmer des Pilotprojektes.


Die Unternehmen wüssten zeitnah, "woran sie sind, haben eine laufende Kontrolle und nicht hinten nach. Und haben Rechtssicherheit". Der Vorteil für die Finanz und den Staat: "Die Unternehmen bleiben in der Mitte der Straße und fahren nicht ständig mit einer aggressiven Steuerplanung am Bankett" (Zöchling). Wer mit der Finanz kooperiert, wird wohl eher nicht einen Steuer-Briefkasten auf Cayman eröffnen. Monitoring fördert offenbar die sogenannte Tax Compliance. Sprich, die teilnehmenden Großunternehmen reizen das Steuersystem nicht bis aufs Äußerste aus, sondern üben sich – bis zu einem gewissen Grad – in Selbstbeschränkung.


Die Großbetriebsprüfung andererseits kann ihre Ressourcen effizienter einsetzen. Was bereits vom Wirtschaftsprüfer, der internen Revision oder dem Risikomanagement gescreent wurde, muss nicht nochmals kontrolliert werden. Zöchling: "Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten".


Kritik und Skeptiker gibt es trotzdem auch. Bei vielen Finanzchefs herrscht immer noch die Meinung vor, "den Prüfern sage ich gar nix. Weil die uns ohnehin nicht fair behandeln".


Innerhalb der Finanzbeamtenschaft sind die Meinungen geteilt. Während die Prüfer, die im Außendienst bei den Firmen vor Ort sind, sehr positiv auf den Pilotversuch reagieren, sind die Beamten, die ihren Job hauptsächlich im Amt verbringen, noch nicht restlos begeistert.


In der politisch linken Ecke gibt’s außerdem Bedenken, Unternehmen und Finanz würden beim Monitoring miteinander mauscheln und die Großen könnten es sich eben wieder richten. Wirtschaftsprüfer Zöchling kontert: "Wir dürfen die Steuerpflichtigen nicht nur prügeln, sondern müssen sie fair behandeln. Dafür sind sie auch bereit, fair Steuern zu zahlen."


Strategie "eee" einfach, effektiv, elektronisch

Ende Jänner gab es im Finanzministerium eine Premiere. Schelling ging mit allen sechs Sektionsleitern in Klausur. Gab es bis dato noch nie, dass sich ein Finanzminister  mit seinen Spitzenleuten zum Nachdenken zwei Tage lang zurückzieht. Das Ziel ist ehrgeizig: Aus der Sicht der Kunden sowie der  11.000 Mitarbeiter die „beste Finanzverwaltung der Welt“ zu werden.


Die Marschrichtung  steht unter dem Arbeitstitel „eee“. Das heißt soviel wie einfach, effektiv, elektronisch. Für die sich verändernden Bedürfnisse der Kunden, der Steuerzahler,  und die digitalen Herausforderungen müssen neue Strategien entwickelt werden. Wie die noch stärkere Automatisierung der Arbeitnehmerveranlagung, die automatische Steuererklärung,  einfachere Legistik und eine stärkere Einbeziehung der Kundengruppen in tägliche Abläufe. Schelling ist übrigens der erste Finanzminister, der die Steuerzahler als „Kunden“ definiert.   


Auch für die Mitarbeiter soll die Finanzverwaltung attraktiver werden. Karriereplanung, Durchlässigkeit und individuelle Förderungen der Mitarbeiter werden gemeinsam mit der Personalvertretung diskutiert.


Schelling: „Man muss sich hohe Ziele stecken, um viel erreichen zu können. Wir werden nur dann zur besten Finanzverwaltung, wenn wir unsere Kunden sowie die Mitarbeiter gleichermaßen für uns begeistern können.“


Schelling hat das Führungsteam teilweise erneuert.  Kabinettschef Thomas Schmid wurde zum Generalsekretär aufgewertet. Als neue Chefin übers Budget wechselte die Rechnungshof-Expertin Helga Berger in die Himmelpfortgasse. Eduard Müller, der vor Fekter in die Privatwirtschaft geflüchtet war, wurde von Schelling als Leiter der Präsidialsektion zurückgeholt. Für Wirtschaftspolitik und Finanzmärkte ist Harald Waiglein zuständig, für die Steuer- und Zollverwaltung Hans-Georg Kramer, IT leitet Gerhard Popp und Steuern unterstehen Gunter Mayr.



Wirtschaft; Finanz, Steuern, Schelling,
Kommentare und Hervorhebungen: JPS

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