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  Mythos Bruno Kreisky: Der Mann mit Eigenschaften   

Presse - Oliver Pink 2010-01-29    ../_CONTENT/Persoenlichkeiten/Kreisky/2018-02-28_A_Mythos Kreisky_311

Vor 40 Jahren eroberte die SPÖ unter Bruno Kreisky erstmals in der Zweiten Republik die Mehrheit.
Kreiskys widersprüchliche Persönlichkeit faszinierte Linke wie Rechte.


Was tut ein echter Österreicher im Exil? Er fährt Ski. Bruno Kreisky setzte seine Schwünge in den Schnee Lapplands, eine Abwechslung zum Alltag in Stockholm. Im nordschwedischen Kiruna durfte der Emigrant aus Österreich sogar eine kleine Rede zum 1. Mai halten – ein Genosse übersetzte. Kreisky verdingte sich als Journalist für die englischsprachige „Tribune“ und andere Blätter, berichtete unter anderem vom finnisch-russischen Winterkrieg. Und er heiratete in Skandinavien, die Industriellentochter Vera Fürth.

Die Zeit im Exil in Schweden von 1938 bis 1945 hat Bruno Kreisky nicht nur vor den Folgen der NS-Terrorherrschaft in seiner Heimat bewahrt, sie hat auch sein politisches Leben und Denken geprägt. „Immer wieder habe ich das Bedürfnis, diesem Land zu danken für alles, was es mir gegeben hat – nicht zuletzt an politischer Klugheit“, schreibt Kreisky in seinem Memoirenband „Zwischen den Zeiten“.

Während in Österreich der Marxismus noch eine wesentliche Rolle in der Sozialdemokratie spielte, war die schwedische Partei unter ihren Führern Hjalmar Branting, Per Albin Hansson und Tage Erlander einen unorthodoxen, pragmatischeren Weg gegangen, der ihnen in einem agrarisch strukturierten Land die Mehrheit sicherte. Ähnliches sollte später auch Bruno Kreisky gelingen. Auch den positiven Patriotismus schaute er sich von den Skandinaviern ab. „Ich nahm mir damals vor, eines Tages auch in Österreich einen solchen Patriotismus zu verwirklichen“, so Kreisky. Wirtschaftspolitisch ließ er sich ebenso vom schwedischen Reformismusmodell inspirieren. Durch und durch keynesianisch, hatte die schwedische Regierung während der Wirtschaftskrise der späten 20er- und 30er-Jahre in Großprojekte – etwa in den Wohnbau – investiert.

Die Übertragung des schwedischen (Wohlfahrtsstaats-)Modells auf Österreich – auch das ein Mythos der an Mythen reichen Ära Kreisky. Von 1970 bis 1983 regierte er als Bundeskanzler das Land, reformierte, modernisierte und wandelte es. Am Beginn stand der Wahlsieg am 1. März 1970. Erstmals in der Zweiten Republik wurde die SPÖ mandatsstärkste Partei und erhielt den Regierungsauftrag. Kreisky wagte eine Minderheitsregierung – mit Unterstützung der FPÖ.

Der Großbürger jüdischer Herkunft machte damit ausgerechnet jene Partei salonfähig, die nicht zuletzt als Sammelbecken für ehemalige Nationalsozialisten gegründet worden war. Doch den minderbelasteten „Braunen“ zu verzeihen fiel ihm wesentlich leichter als den „Schwarzen“, die ihn ins Gefängnis gesteckt hatten. Das Dollfuß-Regime hatte Kreisky wegen „Hochverrats“ für 21 Monate hinter Gitter gebracht. Der „Klerikofaschismus“ (Zitat Kreisky) traf ihn persönlich härter als der Nationalsozialismus. Am 12. Februar 1934, so erinnerte er sich, „brach meine Welt zusammen“.

Bruno Kreisky, Generaldirektorensohn aus sudetendeutscher Familie, hatte aber auch eine persönliche Beziehung zum dritten Lager: Sein Großvater war ein sogenannter Deutschfreiheitlicher, zwei seiner Onkel waren schlagende Burschenschafter. „Die Wacht am Rhein“ kannte der junge Bruno Kreisky auswendig.

Nach dem Einmarsch der NS-Truppen 1938 wieder für kurze Zeit in Haft genommen, durfte Kreisky daraufhin – auch auf Fürsprache eines ehemaligen nationalsozialistischen Zellengenossen – ausreisen. Über Dänemark nach Schweden, mit Robert Musils „Der Mann ohne Eigenschaften“ im Gepäck, seinem Lieblingsbuch.

Kreisky war zweifellos bibliophil. Wobei er nicht alles selbst las. Sein Trick: Er suchte Bücher für seine jungen Mitstreiter und Sekretäre aus, die diese für ihn lesen und exzerpieren mussten. Der große Meister brillierte dann mit den ausgewählten Zitaten bei Diskussionen und anderen öffentlichen Auftritten.

Eine weitere Legende ist die des großbürgerlichen Liberalen. Der „Sonnenkönig“ des Austrosozialismus war – bei all seiner Offenheit gegenüber Bürgerlichen und Adligen – schon auch Klassenkämpfer. Ein Kämpfer gegen jene Klasse, der er entstammte. Vor allem in jungen Jahren revolutionär gesinnt, aber auch im Alter bekannte er, „immer linker“ zu werden. An der Staatswirtschaft hielt er unbeirrt fest, nicht nur wegen der „hunderttausend Arbeitslosen“ weniger, sondern weil er wirklich an den Staat als Unternehmer glaubte. Von Wirtschaftspolitik verstand er wenig, obwohl er das selbst anders sah.

Im Regierungsalltag agierte er dennoch pragmatisch, Dogmen stellte er weitgehend beiseite. Um Mehrheiten zu erlangen, musste sich die Sozialistische Partei, wie sie damals noch hieß, öffnen. Heute wird Kreisky gern als „letzter Linker“ verklärt. Doch er regierte eher rechts. „Aufstieg – Leistung – Sicherheit“ war bereits 1969 das Motto des 1.-Mai-Aufmarsches der Kreisky-SPÖ. Das hätten auch bürgerliche Parteien plakatieren können.

Selbst die Legalisierung der Abtreibung, die Fristenlösung, war nicht seine Idee. Kreisky fürchtete um die „Breite“ seiner Partei, die Öffnung hin zu bürgerlichen Kreisen, die Aussöhnung mit der katholischen Kirche.

Zeit seines Lebens war Kreisky glühender Antikommunist. Für antiamerikanische Umtriebe seiner Genossen hatte er nichts übrig, auch nicht zu Zeiten des Vietnam-Kriegs. Und er sah sich selbst als oberster Schutzmachtbeauftragter für Südtirol.

Arafat und Gadhafi. Bruno Kreisky, der Mann von Welt, war im Ausland bekannt und geachtet, wiewohl seine Bedeutung heute überschätzt wird. Doch dank Kreisky wie auch Krankl, Klammer und Lauda wurde „Austria“ in den Siebzigern nicht mehr so leicht mit „Australia“ verwechselt. Die Außenpolitik – unter besonderer Berücksichtigung des Nord-Süd-Dialogs – war Kreiskys Steckenpferd. Als Jassir Arafat und Muammar al-Gadhafi noch als unverbesserliche Terroristen galten, rollte Kreisky ihnen den roten Teppich aus – was die Beziehungen zu den USA und Israel stark belastete.

Die unnachgiebige Haltung der Israelis im Nahostkonflikt empörte ihn. „Wenn die Israelis ein Volk sind, so ist es ein mieses Volk“, polterte er. Den Premierministern Golda Meir und Menachem Begin war er in inniger Abneigung zugetan. Wie auch Simon Wiesenthal, den er der „Privatjustiz“ bezichtigte und als „Gestapo-Spitzel“ zu diffamieren versuchte. Mit dem religiösen Judentum verband den Agnostiker aus einer assimilierten, liberalen jüdischen Familie wenig.

Ein Nachhall von Kreiskys Wirken als Außenpolitiker blieb vor allem in der arabischen Welt. Dort hat der Name Bruno Kreisky einen unvermindert guten Klang. Wie auch jener Jörg Haiders, der diesbezüglich wohl am ehesten in Kreiskys Fußstapfen getreten ist – oder es zumindest versuchte.

Das Bild des Philanthropen Kreisky, der befand, man müsse die Menschen mögen, um in der Politik tätig sein zu können, und dessen private Nummer im Telefonbuch stand, hat jedenfalls auch eine Kehrseite. Ein Volkstribun war er nicht, Menschenmassen mied er. Während er Andersdenkenden gegenüber interessiert und aufgeschlossen war, kanzelte er seine Genossen oft schroff ab. Und wenn es um den eigenen Machterhalt ging, konnte er skrupellos sein. Führende Mitarbeiter des ORF, Hannes Androsch oder eben Simon Wiesenthal bekamen seinen Zorn zu spüren.

Kreisky war auch kein wirklich mitreißender (Podiums-)Redner. Aber ein großer Erzähler. „Er hatte eine unerhörte Gabe, in Audienzen und Gesprächen seine Partner durch ein unnachahmliches Register von meisterhaft auf den jeweiligen Adressaten (ob Aristokratin, Künstler, Wirtschaftsmanager, Arbeiter oder Bauer) abgestimmten Tönen, Zitaten und Geschichten zu beeindrucken, sie sozusagen zu sich und in sich hineinzuziehen“, so der Politologe Helmut Kramer.

Arbeiterführer und Großbürger. Der Mythos Bruno Kreisky. Ein Politiker, wie ihn das Land weder vorher noch nachher kannte. Virtuos im Umgang mit Medien, machtbewusst, eigensinnig. Eine vielschichtige, widersprüchliche Persönlichkeit, in die jeder hineininterpretieren konnte, was er wollte – Linke wie Rechte. Ein Spiel, das der grantelnd-schlitzohrige „Journalistenkanzler“, der sozialistische Arbeiterführer, der liberale Großbürger gern mitgespielt hat.

So auch beim zitierten Vorbild Skandinavien. Auch das, so scheint es, eine Legende. „Viele meinen“, dozierte Kreisky, „ich hätte versucht, das schwedische Modell auf Österreich umzulegen. Das ist unrichtig.“ Die Jahre in Schweden wären lediglich eine Bereicherung und Abrundung seiner politischen Vorstellungen gewesen.


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