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    Rassismus verschwindet nicht, wenn das Wort Mohr aus dem Wortschatz verbannt wird: wo die neuen Sprachsäuberer irren.   zum Nachlesen!  

René Zeyer - NZZ  2020-06-16    
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Rassismus verschwindet nicht, wenn das Wort Mohr aus dem Wortschatz verbannt wird: wo die neuen Sprachsäuberer irren

Der sprachliche Aktivismus ist eine neue Beschäftigung von Menschen, die auf ihre eigene Tugendhaftigkeit bedacht sind. Damit stellen sie sich in eine bedenkliche Tradition.

War Friedrich Schiller Rassist? Oder gar Shakespeare mit seinem unsterblichen Stück über den Mohren von Venedig? Ist heute jemand unsensibel, wenn er genussvoll in einen Mohrenkopf beisst, schlimmer noch, ihn herstellt?

Wird die Welt besser, wenn wir die Sprache von solchen Ausdrücken reinigen? Eine absurde Vorstellung. Wer die Bezeichnung verbieten will und offenbar annimmt, dass Schokoküsse niemals von Rassisten gegessen werden, führt einen Stellvertreterkrieg. Schlimmer noch, er steht selbst in einer unseligen Tradition der Sprachpolitik.

Die alte und die neue Sprachpolitik

Bis zur Französischen Revolution gehörte es beim Adel im deutschen Sprachraum zum guten Ton, französisch zu parlieren. Auch das aufkommende Bürgertum übernahm diese Sitte, um sich von der Plebs – und vom Latein der Kirche – abzuheben. Natürlich entwickelte sich auch eine Gegenströmung, die sich für die Reinheit der deutschen Sprache starkmachte. Sie erfand sinnvolle Eindeutschungen wie Abstand für Distanz, Bücherei für Bibliothek oder Leidenschaft für Passion. Andere Versuche, wie Meuchelpuffer für Pistole oder Geistesanbau für Kultur, vermochten sich hingegen nicht durchzusetzen. Der Dichterfürst Goethe machte sich über solche Bemühungen lustig: «Nun sage doch, Freund, wie man Pedant uns verdeutscht.» Denn Pedanten versuchen sich an Absurditäten bis hin zu Viertopfzerknalltreibling, Ersatz für den Vierzylinderexplosionsmotor.

In seiner modernen Ausprägung äussert sich der Wunsch nach Reinigung, Verbesserung der Sprache im Kampf gegen eine angeblich männerbeherrschte Diktion. Kritisiert wird, dass viele Substantive als Sammelbegriffe den männlichen Artikel führen. Statt also «der Student» zu sagen, sei es besser, von Studierenden zu sprechen, statt vom Mitarbeiter von Mitarbeitenden. Mit weiteren Versuchen wie einem Binnen-I oder einem Gendersternchen wird ebenfalls die deutsche Grammatik vergewaltigt. Wer so der Sprache ans Mieder geht, wie Karl Kraus sagte, verkennt den Unterschied zwischen Geschlecht und Genus. Ich als Mann fühle mich auch als Person angesprochen, obwohl das Wort weiblich ist, und auch Frauen sind bei Ärzten mitgemeint.

Das alles könnte man belustigt als Ausdruck paradiesischer Problemfreiheit betrachten, wenn diese Säuberungsbemühungen nicht ein Bestandteil der grossinquisitorischen Bewegung der Einforderung von Korrektheit wären. Die artet schnell in Tugendterror und den Versuch aus, die Benützer von nichtkorrekten Wörtern vom öffentlichen Diskurs auszuschliessen.

Der grosse Irrtum

Wer das tut, erliegt gleich einem ganzen Strauss von Irrtümern. Viele Leser des Bestsellers «Der Name der Rose» haben nicht verstanden oder vergessen, dass hier von Umberto Eco geschickt eine bahnbrechende Erkenntnis des Philosophen Wilhelm von Ockham in eine Kriminalstory verpackt wurde. Denn Ockham (1288–1347) erkannte, dass der Begriff und das Begriffene, das Bezeichnete, nicht das Gleiche sind. Einfach ausgedrückt: Eine Rose verwelkt, ihr Name aber nicht.

Da es in der damaligen Zeit naheliegend war, dieses Problem auch auf das geoffenbarte Wort Gottes in der Bibel zu übertragen, nahm Ockham aber schnell von weiteren Überlegungen Abstand und entging so dem Scheiterhaufen. Auf den sollen nun in der Gegenwart Begriffe gelegt werden, deren Konnotationen und Traditionen von Übel sein sollen. Also rassistisch, diskriminierend, abwertend, Haltungen ausdrückend, die wir längst überwunden haben sollten. Dass damit in negativer Dialektik zur Absonderung unziemlicher Wörter genau die Ideologie der Ausgrenzung verwendet wird, die bekämpft werden soll, ist ein trauriger Treppenwitz dabei.

Bereits das Tragen eines Sombreros, jedwede Verkleidung an der Fasnacht zieht den Verdacht auf sich, hier wolle sich jemand postkolonial fremde Werte und Kulturen aneignen. Wer sich als Indianer kostümiert, gar bei der Basler Guggenmusik Mohrekopf mitspielt oder zur Berner Mohrenzunft gehört, steht so lange unter Rassismusverdacht, bis er bereut und sich von diesem Wort distanziert. Die absurde Vorstellung dieser Sprachreiniger ist, dass damit auch die entsprechende Gesinnung verschwinde.

So lässt sich die Welt kommod ordnen. Statt realem Rassismus oder Rassenwahn zu begegnen, verlegt man sich aufs Sortieren von Wörtern nach gut und schlecht oder böse. Verbellt Schatten an der Wand statt die wahren Gestalten. Und steht selbst in vollendeter Tugendhaftigkeit da – Virtue-Signaling heisst dieses beliebte Verhalten auf Neudeutsch.

Die bedenkliche Pointe

Auch Eco verfiel auf den Versuch, als Semiotikprofessor eine Abhandlung über die 14 Merkmale zu schreiben, an denen man Urfaschismus erkennen könne. Darunter Nationalismus und allgemein ein verarmtes Vokabular mit Framing, zum Beispiel «Lügenpresse» oder «Umvolkung». Kleinere Geister versuchten dann – auch in der Schweiz –, das Vokabular politischer Bewegungen durch dieses Raster zu pressen und sie dann mindestens als faschistoid oder gleich richtig faschistisch zu denunzieren. Wer also Nationalismus und Tradition nicht von vornherein ablehnt, sei ein Faschist.

Sprachsäuberung ist wohlfeil und sinnlos. Denn Gesinnungen verschwinden nicht, wenn Wörter verboten werden. Das Verbot des Wortes Endlösung hätte die Judenvernichtung nicht verhindert. Die Vergangenheit ändert sich nicht, wenn Denkmäler und Symbole vernichtet werden. Im Gegenteil, wer heute das Wort Endlösung arglos verwendet, muss auf dessen Vergangenheit hingewiesen werden.

Sprache ändert sich ständig, gewiss – aber durch die Praxis der Sprachbenutzer, nicht durch eine obrigkeitlich, akademisch oder verwaltungstechnisch durchgesetzte Sprachpolitik der Reinheit von oben. Die Schwarzen in den USA, Pardon, die US-Bürger mit afroamerikanischem Hintergrund, haben es viel besser verstanden, wie man mit abwertend gemeinten Ausdrücken umgeht. Wie die Homosexuellen das Schimpfwort schwul einfach umpolten, haben nicht nur Gangster-Rapper das Wort Nigger gekapert und damit als Ausdruck von Verachtung unbrauchbar gemacht.

Wohl niemand würde ein Produkt kaufen, das damit angepriesen wird, dass es mit unmenschlicher, gesundheitsgefährdender, lausig bezahlter Kinder- und Sklavenarbeit hergestellt wurde. In allen Umfragen sagt eine überwältigende Mehrheit der Schweizer, dass sie gerne bereit sei, auch mehr auszugeben, wenn dafür das Produkt einigermassen akzeptabel hergestellt worden sei.

Wir sind uns alle einig, dass Labels und Zertifizierungen, Fair Trade und so weiter keine Garantie, aber immerhin eine gewisse Sicherheit geben, dass diese Bedingung erfüllt ist. Also geben die Schweizer dafür sicherlich einen gewaltigen Batzen bei Konsumgütern aus, also für Lebensmittel, Kleider, Hygieneartikel. Nun ja, es sind ziemlich genau 100 Franken pro Kopf und Jahr.

Ein Beispiel dafür, wie wohlfeil es ist, das Verbot von Produkten zu fordern, sich über Begrifflichkeiten zu erregen, durch verbale Verbote Rassismus, Diskriminierung und alles Üble und Böse auf der Welt in die Schranken weisen zu wollen. Doch hinter der moralingeschwängerten Rede verbirgt sich noch eine andere, tatsächlich bedenkliche Pointe. Wer den Antirassismus zu seiner eigenen Identität macht, verhält sich genau wie jene, die sich anderen, sich durch Hautfarbe, Mentalität oder Gebräuche unterscheidenden Menschen überlegen wähnen.

 


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