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Die Gleichgültigkeit der Bürger zum Thema Überwachung und Datenschutz ist gefährlich,
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Freiheit, die ich meine

Der Staat ist ein Zwangsbeglücker geworden, der sich in alle Belange des Lebens einmischt. Dagegen hilft nur Standhaftigkeit

Was ist das Ziel gesellschaftlicher Entwicklung, was soll diese bewirken? Amartya Sen, Nobelpreisträger der Ökonomie, hat eine Antwort versucht; ihr möchte ich mich anschließen: "Entwicklung", so schreibt er, "ist der Prozess der Ausweitung von Freiheiten." Ralf Dahrendorf hat das später aufgegriffen. Danach ist Freiheit als Leitwert weder Wohlstand noch soziale Teilnahme, weder harte Arbeit noch Zugang zu gesellschaftlichen Positionen, weder Bildung noch irgendeine "Gerechtigkeit". Die unverwechselbare Grundbedeutung von Freiheit ist: erstens die Abwesenheit von Zwang und zweitens die Ermutigung zur Eigentätigkeit.

Das zusammen ergibt Lebenschancen, das heißt Wahlmöglichkeiten. Genau das war auch Kants Rechtsauffassung: Der Staat ist die freiwillige Vereinigung der Menschen unter Rechtsgesetzen. Als Freiheitsordnung "a priori". Das Gegenteil von staatlicher Gängelung ist eben nicht Chaos, sondern Gestaltungsfähigkeit, Freiraum, Selbstregelsetzung. Das meint vor allem die Freiheit, sein eigener Herr sein zu können ohne die nötigende Willkür eines anderen. Das Freiheitsprinzip als Grund, aber auch als Grenze des Staates. Das bedeutet, Lenkungszwecke aus dem Recht und dem Handeln des Staates zu bannen.

Ich mache mir nichts vor: Von allen politischen Kategorien ist Freiheit hierzulande die unbeliebteste. Und eine Freiheitsordnung "apriori" geht vielen zu weit. Sie halten es für unvermeidlich, sogar für angemessen, dass die Freiheit hinter die Lenkung zurücktritt. Sie fragen: "An welchem Punkt überwiegen die Kosten für die Freiheit den Gewinn durch staatliche Lenkung?" Darauf ist zu antworten: Freiheit ist nicht verhandelbar! Ich wende mich gegen eine Verrechnungspraxis, der keine Rechtsgarantie mehr heilig ist. Was immer man von staatlicher Lenkung halten mag – sie hat jedenfalls keinen Platz in der Auslegung einer Verfassung, die gerade entworfen wurde, um den Bürger gegen den staatlichen Übergriff zu sichern.

Eine Politik der Freiheit will, dass sich Lebenschancen erweitern, auch dann, wenn die Ausweitung zunächst nicht allen gleichermaßen zugutekommt. Sie akzeptiert Ungleichheit als Element der Freiheit. Denn nicht jeder kann mit Freiheit gleich gut umgehen. Aber der weit überwiegende Teil. Und es ist auch richtig, dass die Flut des wirtschaftlichen Wachstums nicht alle Boote hebt. Die Hilfe für eine Minderheit aber darf die Mehrheit nicht hilflos machen. Es sei denn, man will genau das. Wie die Lebenschancen der Erfolgreichen auf andere ausgeweitet werden können, das ist dann eine zweite Frage. Zunächst muss man den Leistungsfähigen einmal den Freiraum einräumen, erfolgreich zu werden. Erst dann kann man über das "Teilen" nachdenken.

Das, was wir dann Staat nennen, ist ein reduzierter Staat. Reduziert auf das Erlassen allgemeiner Regeln, des äußeren Schutzes und des Rechts. Wir brauchen, und das mag manchen überraschen, die Autorität des Staates nicht als Hilfe, sondern als Macht. Als Gewaltmonopolist, nicht als Fürsorger; als Macht, die die Entwicklung freiwilliger und geordneter Formen des Zusammenlebens ermöglicht. Der nur all jene Wege zu diesem Ziel ausschließt, die mit Zwang verbunden sind. Der insofern "gleichgültig" ist gegenüber den verschiedenen Wegen zum gelungenen Leben, so es nicht die Rechte eines anderen verletzt. Er muss gegenüber der frei gewählten Lebensführung seiner Bürger peinlich neutral sein.

Dieser Staat ist Methode, nicht Inhalt. Er darf verwalten, nicht regieren. Er lehnt "politische Führung" ab. Er hat kein eigenes "Interesse". Er will weder erziehen noch geistig lenken. Er will den Bürger nicht anreizen, nicht manipulieren, nicht verführen. Das Gemeinwohl wird nicht durch staatliche Lenkung hergestellt, sondern durch das lebenspraktische Wirken der Bürger. Wir Bürger sind in ihm Individuen, die von niemandem als Mittel zum Zweck benutzt werden dürfen. Wir Bürger sind in ihm nicht Objekte seiner Beeinflussung, sondern Subjekte unseres eigenen Handelns. Er gesteht auch jedem Bürger zu, seine eigenen Fehler zu machen. Dieser Staat behandelt uns mit Gelassenheit, er hält Distanz, ist zurückhaltend, mischt sich nicht ein. Er orientiert sich an drei Kriterien: Respekt! Respekt! Respekt! Er lässt uns unser Leben selbst entscheiden, wie und mit wem wir auf welche Weise zusammenleben wollen, welche Idee vom guten Leben wir dabei verfolgen und welche Menschen uns dabei freiwillig helfen wollen. Er vertraut unseren Fähigkeiten zur Problemlösung. Es geht ihm vor allem darum, möglichst jeden Menschen so leben zu lassen, wie es ihm oder ihr gefällt. Dieser Staat hat im Privatleben der Bürger schlicht nichts verloren.

Die alten Rezepte – die Geste des Machers, die "klare Linie", der "Masterplan", die "Politik aus einem Guss" –, all das gehört ins Antiquariat. Was heute Not tut, das sind keine Rezepte, sondern eine Haltung. Denn staatliche Willkürakte funktionieren nicht bei den entscheidenden Faktoren, den Mentalitäten: nicht bei Ehrgeiz, nicht bei Beweglichkeit, nicht bei Selbstvertrauen. Gerade auf den Feldern, die eine Gesellschaft erfolgreich machen, kann der Staat nichts erzwingen oder erkaufen, nichts herbeimotivieren oder herbeibelohnen. Er kann es nur ermöglichen. Er muss wieder Diener werden. Ein guter Diener zwingt seine Dienstleistung nicht auf. Er reagiert auf das, was nachgefragt wird. Er hält sich im Hintergrund und zieht sich zurück, wenn er nicht mehr gebraucht wird. Er hält sich an das, was niemand besser als Friedrich Dürrenmatt gesagt hat: "Sei menschlich, nimm Abstand."

Wie kann das konkret aussehen? Was kann der Bürger zu einer Gemeinschaft beitragen, die Distanz hält, die ihn respektiert, die ihn nicht erziehen will? Die Politik lässt sich kaum allein als "Schuldige" dingfest machen. Das zirkuläre Geflecht von Verwöhnungsforderung der Bürger, Eigeninteresse der Politik und selbstlaufender Bürokratie hat keinen Anfang. Wir müssen die Scheinwerfer erneut drehen: Wir, die Bürger, sind vor allem gefragt. Das Einzige, was uns von einer guten Zukunft abhält, sind wir selber. Könnte es nicht auch sein, dass wir unsere eigene Unbeweglichkeit immer mal gerne der Bürokratie in die Schuhe schieben? Könnte es nicht auch sein, dass wir unsere Mut- und Ideenlosigkeit mit dem Einfluss des Sozialstaats entschuldigen? Könnte es nicht auch sein, dass die Politik nur deshalb ein Spielfeld für mittlere Talente geworden ist, weil Fähigere naserümpfend zur Seite stehen? So wie es vor 1933 schon einmal war?

Wir müssen wieder empfindsam werden für die versteckten Infantilisierungen, Entmündigungen, Zwangsbeglückungen. In den Nachrichten, in den Talkshows , in all den Angeboten zur Selbstverkindlichung. Wir müssen wieder ein Gefühl für die Ablehnung entwickeln, die in dem staatlichen Zurichtungswillen steckt, uns gegen das "Pass dich an!" empören, das sich verbirgt hinter wohlanständig klingenden "Förderprogrammen" und "Schutzmaßnahmen". Provozierbar müssen wir sein! Was geht es den Staat an, ob ich rauche, dick bin, wofür ich mein Geld ausgebe oder auch nicht ausgebe? Wir Bürger müssen mit geschärften Sinnen durch die Welt der "großen Verführung" wandern, die mit der Freiheit, der Würde, der Autonomie des Einzelnen kaum noch etwas anzufangen weiß. Wir müssen wachsam sein.

Und wir müssen selbst handeln. Wir müssen uns die Gesellschaft wieder aneignen. Das heißt: dem Staat entreißen. Wir müssen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, uns einmischen. Wir müssen uns bürgerschaftlich engagieren, das Prinzip der Gegenseitigkeit wiederentdecken, die Verantwortung für den Nahbereich. Denn das Recht auf ein individuelles Leben bedingt die Pflicht zur Beteiligung am Allgemeinen. Eine geschenkte Freiheit ist nichts wert; wir müssen sie täglich neu erobern. Und wehren können wir uns. Mit einfachen Mitteln. Das eine besteht darin, all jene zu unterstützen, die sich gegen die Volksmoralisten stemmen. Es gibt sie, allerdings muss man manchmal nach ihnen suchen. Jeder Bürger muss seinem lokalen Politiker permanent auf die Zehen treten. Wir müssen für mehr "Nichtbeamte" im Parlament sorgen – unabhängig von der politischen Farbe.

Das andere Mittel steht wirklich jedem zur Verfügung. Es besteht darin, der Pädagogisierung der Politik nicht mehr zuzuschauen und dem staatlichen Oberlehrer keinen Beifall mehr zu zollen. Wir können die Einladung des Staates zur Selbstentmündigung ausschlagen: auf "Förderung" verzichten, Zuschüsse ablehnen. Kostenlos ist das nicht zu haben. Aber niemand kann uns zwingen, in die Möhre hineinzubeißen, die uns vor der Nase baumelt. Wir müssen unser Leben nicht nach dem Prinzip des größtmöglichen Steuervorteils ausrichten. Wir müssen uns nicht vom Staat vorschreiben lassen, wie wir unsere Lebenszeit verbringen. Mehr noch: Wir können Einfluss nehmen.

Wir können Produkte meiden, an denen Subventionen kleben. Wir können subventionierten Unternehmen die eigene Kaufkraft zeigen: einfach dort nicht einkaufen. Wir können quasselige Politsendungen durch niedrige Einschaltquoten abstrafen. Wir müssen uns nicht von Rabatten, Bonusmeilen und Treuepunkten zu Pudeln abrichten lassen, die nach Leckereien japsen. Wir müssen uns auch nicht verbeamten lassen. Wir können uns sogar selbstständig machen. Und Unternehmensführer können auf staatliche Hilfe ganz bewusst verzichten. Das alles können wir tun. Wenn wir wollen. Wenn jeder ein kleines Stück mehr Selbstverantwortung und Eigensinn lebt, dann werden sich die Effekte addieren.

Freiheit, auf ihr ruht unsere liberale Zivilisation. Sie ist nicht Mittel, sondern Selbstzweck. Aber ihre Freiräume schrumpfen stetig. Weil wir uns zu viel gefallen lassen. Weil wir keine Verantwortung übernehmen. Weil wir nicht handeln – und Nicht-Handeln heißt Zustimmen. Wer Freiheit will, der muss auch bereit sein, den Preis dafür zu zahlen. Was das heißt, weiß jeder in dem Moment, in dem es gefordert ist.


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